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Gehetzt

Titel: Gehetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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konnte den Panzer zwar fahren, aber nicht gleichzeitig die Gegend beobachten und im Ernstfall die Waffensysteme bedienen. Kritisch beobachtete er, mit welcher Mühe sich der Fahrer in sein Hemd quälte, das Mandel ihm hinhielt.

    Reynolds konnte die Arme beugen und schien auch seine Hände benutzen zu können. Vor allem sein Gesicht machte Barnes Sorgen. Reynolds hatte sonst eine gesunde Hautfarbe, wie ein Mann, der die meiste Zeit im Freien verbringt. Jetzt war sein Gesicht schneeweiß, jegliche Farbe war daraus gewichen.
    Es hat ihn umgeworfen, dachte der Sergeant. Er hat einen Schock erlitten. Alles hängt jetzt davon ab, wie er das verkraftet.
    Reynolds hatte keine Antwort auf seine Frage gegeben und schwieg auch weiterhin beharrlich, während er an den Knöpfen des Hemdes herumnestelte. Er langte nach seiner Kampfjacke, doch Mandel kam ihm zuvor und schob seine Arme in die Ärmel. Vorsichtig schlüpfte Reynolds in die Jacke und knöpfte sie zu. Danach ließ er sich schwerfällig auf den Stuhl sinken und leerte mit einem einzigen Schluck ein Glas Wein, das vor ihm stand. Dann erst schaute er Barnes an und sagte mit krächzender Stimme:
    »Geben Sie mir eine halbe Stunde, dann fahre ich Sie bis zur Küste, wenn Sie wollen.«
    Der Bursche ist nicht kleinzukriegen. Seit gestern ist er fast ununterbrochen gefahren, hat kaum zweieinhalb Stunden Schlaf während der Nacht und noch weniger in der Nacht zuvor. Seine beiden Arme sind schwer verbrannt, auch seine Stimme scheint nicht in Ordnung zu sein. Trotzdem – einen Fahrer hatte er also noch.
    Barnes ging zu Penn hinüber. Noch ein weißes Gesicht, bleich wie der Tod. Doch hier war es tatsächlich unsägliche Erschöpfung. Reynolds konnte noch aufrecht auf dem Stuhl sitzen, doch Penn hing kraftlos im Sessel, als wolle er nie mehr aufstehen.
    Trotzdem grinste er Barnes entgegen.
    »Mir geht’s nicht so schlecht, wie’s aussieht – zum Glück.«

    »Natürlich nicht. Ich habe Ihren Arm nicht gesehen. Was ist damit?«
    »Ein bißchen angeschmort. Doch sehen Sie sich mal Reynolds’ Arme an. Außerdem, Ihre Hand könnte auch etwas Pflege vertragen.«
    Der Corporal hatte es kaum ausgesprochen, da kümmerte sich Marianne schon um Barnes. Sie zog ihn zum Becken hinüber und hielt seine verbrannte Hand unter den Wasserstrahl. Das eiskalte Wasser entlockte dem Sergeant ein schmerzliches Stöhnen. Die Haut hing in Fetzen von seiner Hand herunter.
    Mandels Frau bestrich die Verletzungen mit Salbe und verband sie. Barnes musterte derweil die anderen. Mandel hatte ein paar Blasen auf dem rechten Arm und halb versengte Augenbrauen. Etiennes Haare waren ein wenig versengt, doch sonst schien er unversehrt, weil er das Feuer von seinem Fahrzeug aus bekämpft hatte.
    Barnes dankte den Mandels für ihre Hilfe, doch der Bauer wollte nichts davon wissen und wiederholte nur, das sei ihr Beitrag zum Krieg. Außerdem kämpften die Engländer schließlich auch für Frankreich. Barnes wußte darauf keine Erwiderung und ging hinaus, um sich um den Panzer zu kümmern.
    Die Metallhaut war immer noch sehr heiß, doch der Sergeant konnte es gerade ertragen und begann nach dem Fehler zu suchen. Er war ungeheuer erleichtert, daß der Panzer alles heil überstanden hatte. Die Arbeit an Berts Innenleben machte ihm Spaß und löste die aufgestaute Spannung in seinem Körper.
    Als er eine halbe Stunde später in das Fahrerabteil stieg und startete, sprang der Motor bei der ersten Drehung an. Sie waren wieder unterwegs.

7
Samstag, 25. Mai

    Westlich, und dann nach Norden – das war ihre Route. Der Panzer ratterte im morgendlichen Sonnenschein mit Vollgas den Hang hinauf. Der Rand des Turmluks war zu heiß zum Anfassen, so sehr heizten die Sonnenstrahlen das Metall auf.
    Barnes warf einen letzten Blick zurück. Die winzigen Gestalten der Mandel-Familie standen an der Straße und verschwanden aus dem Blickfeld, als Bert über die Hügelkuppe rollte. Die Straße nach Cambrai lag verlassen vor ihnen, und nur einige Bauern, die in ein paar Kilometer Entfernung auf den Feldern arbeiteten, sorgten für etwas Leben in der wie ausgestorben wirkenden Landschaft.
    Trotz der klopfenden Schulterwunde, dem schmerzenden Knie und der verletzten Hand, die unter Mariannes Verband brannte wie Feuer, spürte Barnes eine stille Freude in sich. Sie waren wieder unterwegs, und der Sergeant wußte genau, wohin es ging. Um diese schicksalhafte Entscheidung – in Richtung Westen und dann nördlich nach Calais anstatt in

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