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Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Deaver
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ein Mann vor ihr stand.
    »Hallo, Lucy«, sagte er. Es war der Hausverwalter. Er roch nach Kampfer und Zigaretten und war schon während ihrer Kindheit alt gewesen. Im Augenblick war er damit beschäftigt, gebündelte Zeitungen hinaus auf den Bürgersteig zu stellen. Lucy war fünfzehn Zentimeter größer und mindestens zwölf Kilo schwerer als er und nahm ihm zwei der Bündel ab.
    »Nein«, protestierte er.

    »Mr. Giradello, ich muss doch in Form bleiben.«
    »In Form? Du bist stärker als mein Sohn.«
    Die Kälte draußen stach ihr in Nase und Mund. Sie liebte dieses Gefühl.
    »Ich hab dich vorhin in deiner Uniform gesehen. Hast du diesen Preis bekommen?«
    »Am Donnerstag. Heute war nur die Probe. Und es ist kein Preis, sondern eine Auszeichnung.«
    »Was ist der Unterschied?«
    »Gute Frage. Genau weiß ich es auch nicht. Ich schätze, einen Preis gewinnt man. Und eine Auszeichnung bekommt man verliehen, damit sie dir nicht den Sold erhöhen müssen.« Sie stellte das Altpapier am Bordstein ab.
    »Deine Eltern sind stolz.« Das war eine Feststellung, keine Frage.
    »Bestimmt sind sie das.«
    »Richte ihnen bitte einen schönen Gruß von mir aus.«
    »Gern. Okay, Mr. Giradello, mir ist kalt. Ich muss los. Passen Sie auf sich auf.«
    »Gute Nacht.«
    Lucy machte sich auf den Weg. Ihr fiel ein dunkelblauer Buick auf, der auf der anderen Straßenseite geparkt stand. Zwei Männer saßen darin. Der auf dem Beifahrersitz schaute zu ihr herüber und gleich wieder weg. Dann trank er gierig aus einer Dose Limonade. Wie kann man bei diesem Wetter nur etwas Kaltes trinken?, dachte Lucy. Sie freute sich schon auf einen kochend heißen Irish Coffee mit einem doppelten Schuss Whiskey. Und natürlich mit Schlagsahne.
    Dann sah sie auf den Gehweg, blieb abrupt stehen und machte einen Bogen. Belustigt dachte sie bei sich, dass spiegelglatte Eisflächen vermutlich die einzige Gefahr waren, der sie sich in den letzten achtzehn Monaten nicht ausgesetzt gesehen hatte.

... Einundzwanzig

    Kathryn Dance war die einzige Besucherin in Lincoln Rhymes Haus. Nun ja, Jackson, der Havaneser, war ebenfalls zugegen. Dance hielt den Hund auf dem Arm. »Das hat herrlich geschmeckt«, sagte sie zu
    Thom. Sie hatten soeben gemeinsam zu Abend gegessen. Der Betreuer hatte Bœuf Bourguignon,
    Reis und Salat zubereitet und dazu einen Cabernet serviert. »Ich würde Sie ja um das Rezept bitten, aber ich bekäme das nie auch nur annähernd so gut hin.«
    »Ah, ein dankbarer Gast«, sagte er und sah zu Rhyme.
    »Ich bin auch dankbar. Nur nicht so überschwänglich.«
    Thom wies auf die Schüssel, die das Hauptgericht enthalten hatte. »Für ihn ist das ›Schmorfleisch‹. Er versucht es gar nicht erst mit dem französischen Namen. Sag ihr, was du von Essen hältst, Lincoln.«
    Der Kriminalist zuckte die Achseln. »Ich bin in dieser Hinsicht nicht wählerisch. Das ist alles.«
    »Er nennt es ›Brennstoff‹«, sagte der Betreuer und schob den Servierwagen in die Küche.
    »Haben Sie zu Hause Hunde?«, fragte Rhyme mit Blick auf Jackson.
    »Zwei. Sie sind deutlich größer als unser Freund hier. Die Kinder und ich gehen ein paarmal pro Woche mit ihnen an den Strand. Dort jagen sie Seemöwen nach, und wir laufen ihnen hinterher. So bekommen wir alle reichlich Bewegung. Und falls das zu gesund klingt, keine Bange. Danach gehen wir in Monterey Waffeln essen und ersetzen alle Kalorien, die wir verloren haben.«
    Rhyme schaute in die Küche, wo Thom Teller und Pfannen abwusch. Dann senkte er seine Stimme und fragte, ob Kathryn ihm bei einer kleinen Zuwiderhandlung helfen würde.
    Sie runzelte die Stirn.
    »Ich hätte gern einen Schluck davon .« Er nickte in Richtung
einer Flasche alten Scotchs, Marke Glenmorangie. »Und zwar da drin.« Das Nicken richtete sich auf seinen Trinkbecher. »Bitte seien Sie möglichst leise.«
    »Thom?«
    Ein Nicken. »Er verhängt gelegentlich die Prohibition über mich. Das ist ziemlich lästig.«
    Kathryn Dance wusste, wie wichtig es war, sich hin und wieder etwas zu gönnen. (Okay, vielleicht hatte sie in Tijuana sogar sechs Pfund zugelegt; das war aber auch eine verdammt lange Woche gewesen.) Sie setzte den Hund ab und schenkte Rhyme einen Doppelten ein. Dann stellte sie den Becher in den Halter an seinem Rollstuhl und rückte den Trinkhalm für ihn zurecht.
    »Danke.« Er trank einen großen Schluck. »Was auch immer Sie der Stadt für Ihre Dienste berechnen, ich lasse es verdoppeln. Und bitte bedienen Sie sich. Ihnen wird

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