Gehetzte Uhrmacher
Frau wiederzubeleben.«
»Sie denken aber auch wirklich an alles«, stellte Baker fest.
»Wissen Sie, was das Wunderbare an Uhrwerken ist?«, fragte Duncan und schaute zu der Uhr mit dem Mondgesicht. »Keines von ihnen verfügt über mehr oder weniger Teile, als für die durch den Uhrmacher vorgesehenen Funktionen notwendig sind. Nichts
fehlt, doch es ist auch nichts überflüssig.« Er lächelte. »Das ist absolute Vollendung, meinen Sie nicht auch?«
Sachs und Pulaski stapften durch die kalten Straßen von Lower Manhattan, und Amelia dachte darüber nach, dass die größten Hürden bei einem Fall mitunter nicht die Täter, sondern die Schaulustigen, Zeugen oder Opfer waren.
Sie gingen einer der Spuren nach, die sie in der Kirche entdeckt hatten – den Belegen einer Parkgarage unweit des Piers, auf dem das erste Opfer gestorben war. Aber der Mann an der Kasse konnte ihnen nicht weiterhelfen. Nein, Lady, an niemand wie ihn ich mich erinnere. Ahmed – vielleicht der hat ihn gesehen... Oh, aber ist nicht da heute. Nein, ich nicht kenne seine Telefonnummer.
Und das war alles.
Enttäuscht wies Sachs auf ein benachbartes Restaurant. »Vielleicht wollte er dorthin«, sagte sie. »Einen Versuch ist es wert.«
In diesem Moment erwachte ihr Funkgerät knisternd zum Leben. »Amelia, hören Sie mich?« Sie erkannte Sellittos Stimme.
Sie hielt Pulaski am Arm fest und drehte die Lautstärke auf, sodass er mithören konnte. »Laut und deutlich. Kommen.«
»Wo sind Sie?«
»In Downtown. Die Parkgarage war ein Schlag ins Wasser. Wir nehmen uns jetzt eine Reihe von Restaurants vor.«
»Vergessen Sie’s. Fahren Sie zur Ecke Zweiunddreißigste Straße und Siebte Avenue. Schnell. Dennis Baker hat etwas herausgefunden. Wie es aussieht, arbeitet das nächste Opfer dort in einem Bürogebäude.«
»Wie heißt die Frau?«
»Wir sind uns nicht sicher. Wahrscheinlich werden wir das ganze Haus räumen müssen. Die Brandexperten und das Räumkommando sind bereits unterwegs – sie ist diejenige, die er verbrennen will. Mann, ich hoffe, wir kommen noch rechtzeitig. Beeilen Sie sich.«
»Wir sind in einer Viertelstunde da.«
Die Feuerwehr schickte zwei Dutzend Männer und Frauen in den siebenundzwanziggeschossigen Büroturm in Midtown. Und Bo Haumann stellte fünf ESU-Teams – aus je sechs Polizisten statt der üblichen vier – zusammen, die Etage für Etage durchsuchen sollten.
Sachs’ Fahrt zum Tatort hatte dank des vorweihnachtlichen Verkehrs fast eine halbe Stunde gedauert. Das war zwar keine große Verspätung, aber die zusätzlichen fünfzehn Minuten bedeuteten durchaus einen Unterschied: Amelia Sachs bekam keinen Platz in einem der Zugriffteams. Offiziell war sie ein Detective der Spurensicherung, aber ihr Herz schlug auch für die Beamten des Sondereinsatzkommandos, für diejenigen, die als Erste zur Tür eines Täters hereinstürmten.
Falls sie den Uhrmacher hier antrafen, würde das Amelias letzte Chance auf einen taktischen Zugriff sein, bevor sie aus dem Polizeidienst ausschied. Vermutlich würde sie auch in ihrem neuen Job als Sicherheitsspezialistin bei Argyle manch heikle Situation erleben, aber den jeweiligen Polizeikräften blieb mit Sicherheit der meiste Spaß vorbehalten.
Nun liefen Sachs und Pulaski vom Wagen zu der Leitstelle, die an der Hintertür des Bürogebäudes eingerichtet worden war.
»Gibt es schon irgendeine Spur von ihm?«, wandte sie sich an Haumann.
Der grauhaarige Mann schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Eine der Videokameras in der Lobby hat jemanden aufgenommen, der dem Phantombild ähnlich gesehen und eine Tasche bei sich getragen hat. Aber wir wissen nicht, ob er sich immer noch im Innern befindet. Es gibt zwei Hinter- und zwei Seitenausgänge, die nicht alarmüberwacht oder von Kameras beobachtet werden.«
»Läuft die Evakuierung?«, fragte die Stimme eines Mannes.
Sachs drehte sich um. Es war Detective Dennis Baker.
»Hat gerade angefangen«, erwiderte Haumann.
»Wie haben Sie ihn gefunden?«, fragte Sachs.
»Das Lagerhaus mit der grünen Farbe«, sagte Baker. »Er hat es als Versteck benutzt. Ich habe ein paar Notizen und einen Lageplan dieses Gebäudes gefunden.«
Amelia ärgerte sich immer noch, dass Baker sie ausspioniert hatte, aber gute Polizeiarbeit verdient es, gewürdigt zu werden. Sie nickte ihm zu. »Gut gemacht«, sagte sie.
»Nicht der Rede wert«, entgegnete er lächelnd. »Reine Fleißarbeit. Und ein wenig Glück.« Baker schaute an dem Gebäude empor
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