Gehetzte Uhrmacher
sicherlich von einem jungen Mann erzählt, den ich angeblich in der Nähe der Kirche getötet habe«, fügte er hinzu. »In Wahrheit habe ich ihn nicht angerührt. Das Blut auf dem Teppichmesser und einer Zeitung in einem der Müllcontainer – falls er noch nicht geleert wurde – ist meines.«
»Wie kam es dazu?«, fragte Rhyme.
»Es war ein heikler Moment. Vincent hat gedacht, der Junge habe sein Messer gesehen. Also musste ich so tun, als würde ich ihn ermorden. Andernfalls hätte Vincent mir gegenüber vielleicht Verdacht geschöpft. Ich bin ihm um die Ecke gefolgt, in eine Gasse abgebogen, habe mich selbst in den Arm geschnitten und etwas Blut auf dem ganzen Teppichmesser verteilt.« Er zeigte ihnen eine frische Wunde an seinem Unterarm. »Sie können ja einen Gentest machen.«
»Oh, keine Sorge, das werden wir...« Ihm kam ein anderer Gedanke. »Und der Wagen? Sie haben niemanden umgebracht, um an den Buick zu kommen, nicht wahr?« Der Polizei lagen keine diesbezüglichen Meldungen vor – weder über einen vermissten Studenten in Chelsea noch über eine Person, die im Zuge eines Autodiebstahls irgendwo in der Stadt ermordet worden war.
Lon Sellitto sah sich genötigt, noch einmal nachzuhaken: »Was, zum Teufel, geht hier vor?«
»Er ist kein Serienmörder«, sagte Rhyme. »Er ist überhaupt kein Mörder. Er hat sich lediglich viel Mühe gegeben, wie einer zu erscheinen.«
»Ihre Frau ist nicht bei einem Unfall gestorben?«, fragte Sellitto.
»Ich war nie verheiratet.«
»Wie sind Sie darauf gekommen?«, wandte Pulaski sich an Rhyme.
»Durch etwas, das Lon gesagt hat.«
»Ich?«
»Zunächst mal hast du seinen Namen erwähnt. Duncan.«
»Und? Den kannten wir doch.«
»Genau. Weil Vincent Reynolds ihn uns verraten hat. Aber Mr.
Duncan ist jemand, der rund um die Uhr Handschuhe trägt, damit er keine Fingerabdrücke hinterlässt. Er ist viel zu vorsichtig, um seinen Namen einer Person wie Vincent anzuvertrauen – es sei denn, es wäre ihm egal, dass wir herausfinden, wer er ist.
Dann hast du gesagt, wir hätten Glück gehabt, dass er die letzten Opfer und Amelia nicht getötet hat. Im ersten Moment war ich sauer. Aber dann habe ich darüber nachgedacht. Du hattest Recht. Genau genommen haben wir keines der Opfer gerettet. Diese Floristin? Joanne? Sicher, ich bin darauf gekommen, dass er es auf sie abgesehen hatte, aber sie ist diejenige, die den Notruf gewählt hat, nachdem sie in ihrer Werkstatt ein Geräusch gehört hatte – ein Geräusch, das er wahrscheinlich mit Absicht verursacht hat.«
»Stimmt«, bestätigte Duncan. »Und ich habe eine Rolle Draht auf dem Boden liegen lassen, damit die Frau merken würde, dass jemand dort eingedrungen ist.«
»Bei Lucy, der Soldatin in Greenwich Village, wurde uns von einem anonymen Zeugen telefonisch ein Einbruch gemeldet«, sagte Sachs. »Aber das war gar kein Zeuge, richtig? Sie haben selbst angerufen.«
»Ich habe Vincent erzählt, jemand auf der Straße habe den Notruf gewählt. Aber das war ich selbst, von einem Münzfernsprecher aus.«
Rhyme nickte in Richtung des Bürogebäudes hinter ihnen. »Und der Feuerlöscher war auch nur Tarnung, nehme ich an.«
»Der ist völlig harmlos. Ich habe etwas Alkohol auf die Außenseite geschüttet, aber gefüllt ist er mit Wasser.«
Sellitto rief das Sechste Revier an, wo das Bombenräumkommando des NYPD stationiert war. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden. »Leitungswasser.«
»Genau wie die Pistole, die Sie Baker gegeben haben und mit der er Sachs ermorden wollte.« Rhyme schaute zu der zerlegten Zweiunddreißiger. »Ich habe es gerade überprüft – die Spitze des Schlagbolzens ist abgebrochen.«
»Außerdem ist der Lauf verstopft. Sehen Sie selbst«, sagte Duncan zu Sachs. »Und ich wusste, dass er nicht seine Dienstwaffe benutzen konnte, denn das hätte ihn mit Ihrem Tod in Verbindung gebracht.«
»Okay«, rief Sellitto dazwischen. »Mir reicht’s. Würde mir bitte jemand eine Erklärung liefern.«
Rhyme zuckte die Achseln. »Ich kann uns nur bis hierhin bringen, Lon. Es liegt bei Mr. Duncan, das Bild zu vervollständigen. Ich vermute, das hat er von vornherein vorgehabt. Deshalb hat er die Show auch von seinem Logenplatz auf der anderen Straßenseite aus verfolgt.«
Duncan nickte. »Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Detective Rhyme.«
»Ich bin nicht mehr offiziell im Dienst«, korrigierte der Kriminalist ihn.
»Alles, was ich getan habe, hat auf diesen Punkt zugesteuert – und ja,
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