Gehirnfluesterer
Londoner Restaurant zum Lunch
trafen, »es gibt keine Stufe des Luxus, zu der ich nicht aufsteigen kann.« Und wenn man ihn so ansieht – Rolex, Porsche, Armani –, kann man dem kaum widersprechen.
Khans Verfahren sind entwaffnend einfach. Er durchstreift die Welt als glamouröser Unternehmer (was er in gewisser Weise auch
ist) und sieht hinreißend gut aus. Er steigt in den schönsten Hotels ab und besucht die hipsten Bars. Stets fliegt er erster
Klasse. Und genau dort, an den exklusivsten Plätzen der Welt, übt er sein Gewerbe aus, schmeichelt, verführt die Menschen,
die siebevölkern. Manchmal die Frauen, manchmal die Männer. Und anschließend nimmt er sie aus.
Was seine Verführungstechniken angeht, hält sich Khan bedeckt, gibt aber immerhin so viel preis: »Berührung ist wichtig, körperlicher
Kontakt. Das sieht man schon bei den Affen, die einander lausen. Es ist eine Form liebenswürdiger Verpflichtung: Kratzt du
meinen Rücken, kratz ich deinen. Bei den Menschen ist es meist so, dass sich Menschen von niedrigerem Status auf diese Weise
Höherstehenden zuwenden. 4 Eigentlich auch wie bei den Affen. Das kommt von der Evolution. Versuche, Brücken zu bauen, häufe Wohlwollen auf, indem du den Tastsinn einsetzt. Unser Gehirn erwartet von niedriger stehenden Zeitgenossen,
dass sie sich gefühlsbetont geben. Ich trete auf mit einem hohen Status. Und ich kehre diese Erwartung um. Das ist es, was
ich tue. Ich stelle immer zuerst den Kontakt her mit einer leichten Berührung des Armes, einem Streicheln über den Rücken.
Und das wirkt enorm. Denn es signalisiert:
Du
bist
mir
etwas wert, und nicht umgekehrt. Die Frauen denken: Warum sollte
ich ihm
etwas wert sein? Er hat doch alles, was er braucht. Er muss mich wirklich mögen.«
So banal es klingt, was er erzählt, Khan erzielt mit seinen Berührungen eine ziemlich berauschende Wirkung. Nach den Regeln
der Repräsentativität und Verfügbarkeit gilt, dass Speichellecker Leute mit niedrigerem Status sind, die Leuten mit höherem
Status in den Arsch kriechen. Wenn jemand diese Erwartungwiderlegt, das Gegenteil tut, dann sollte man auf unseren superschnellen kognitiven Highways die Warnsignale einschalten und
ganz schnell auf die Bremse treten. Dieses Verkehrschaos muss man lichten.
Der Psychologe David Strohmetz und seine Kollegen an der Monmouth University haben ein Prinzip demonstriert, das dem von Khan
sehr ähnlich ist. Nur war Strohmetz nicht darauf aus, Leute zu schröpfen, sondern er wollte die Trinkgelder in einem Restaurant
steigern. Ohne dass sie es wussten, teilte Strohmetz die Gäste in drei Gruppen, je nachdem, wie viele Pralinen sie als Gruß
des Hauses nach dem Essen bekommen sollten. Einer Gruppe brachte die Bedienung eine Praline, der nächsten zwei und der dritten … Nein, hier verhielten sich Kellner oder Kellnerin anders. Zunächst brachten sie eine Praline, gingen dann weg, wandten sich
um (als hätten sie es sich anders überlegt) und legten dann noch eine zweite Praline für jeden auf den Tisch. So bekamen die
beiden letzten Gruppen zwar dieselbe Menge serviert – doch auf unterschiedliche Weise.
Hatten die Zahl der Pralinen und die Art, wie sie serviert wurden, wie Strohmetz vermutete, Einfluss auf die Großzügigkeit
der Trinkgelder? Aber sicher. Verglichen mit einer Kontrollgruppe, die überhaupt nichts Süßes bekam, zahlten diejenigen, die
eine Praline erhalten hatten, durchschnittlich 3,3 Prozent höhere Trinkgelder. Kein schlechter Return auf ein Investment von weniger als zehn Cent! Eine Steigerung gab es auch
bei denen, die zwei Pralinen erhalten hatten. Sie ließen im Durchschnitt 14,1 Prozent mehr auf dem Tisch. Die höchste Steigerung aber erzielte die Methode, die zweite Praline mit auffälliger Betonung
zu überreichen. Die Trinkgelder in der dritten Gruppe stiegen um 23 Prozent gegenüber der Kontrollgruppe. Der unerwartete, scheinbar unerklärliche Sinneswandel – Mensch, Leute, für euch zwei statt einer! – glitt ins Gehirn der Beschenkten wie ein Messer in die Butter. Genau so, wie
Khans unerwartete und scheinbar unerklärliche Berührung die Herzen seiner ahnungslosen Opfer öffnete.
Einerseits hat die Evolution unser Gehirn mit einer Schnellstraße versorgt, mit heuristischen Mitteln zu Entscheidungsfindungwie Repräsentativität und Verfügbarkeit. Andererseits hat sie uns auch ein anderes, spezielleres Programm mitgegeben, die
eingebaute
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