Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
lehnte sich hinaus und schrie: »Steh nicht so dumm herum und mach schon das Tor auf! Ich hab’s eilig!«
Dem Mann blieb vor Schrecken der Mund offen. Hastig wandte er sich ab, wuchtete den mächtigen Holzriegel beiseite, der die beiden Flügel des Tores sicherte, und schob dann den einen Torflügel beiseite.
Chavasse hielt den Kopf gesenkt, damit sein Gesicht im Schatten des Mützenschirms blieb. Sie fuhren hindurch. Nach etwa hundert Metern blickte er sich noch einmal um und sah, daß das Tor gerade wieder geschlossen wurde. Er gab Gas, schaltete in den obersten Gang und raste in die Nacht hinaus.
Im Lager der Hirten bellten ein paar Hunde. Dann kletterte der Jeep aus dem Tal hinauf und ließ Changu hinter sich.
Zwanzig Minuten später hielt Chavasse an und befahl Tsen: »Aussteigen!«
»Aber – ich bin doch gefesselt!« jammerte der Hauptmann. »Soll ich so den ganzen Weg zurückmarschieren?«
»Aussteigen, habe ich gesagt!« brüllte Chavasse.
Tsen sprang hastig vom Jeep und machte sich auf den Rück
weg. Nun stieg auch Chavasse aus und folgte ihm. »Hauptmann Tsen!« rief er. »Ich habe etwas vergessen. Etwas, was ich dir schulde – für mich und viele andere.«
Tsen drehte sich mit einer müden Bewegung um. Da zog Chavasse den Revolver aus der Tasche und jagte ihm aus kurzer Entfernung zwei Kugeln durch den Kopf.
Sekundenlang stand er über den leblosen Körper gebeugt, dann stieg er wieder ein. Ohne sich um Hoffners entsetzten Gesichtsausdruck zu kümmern, fuhr er los.
14
Die Mauern von Yalung Gompa leuchteten im Grau des frühen Morgens wie ein orangeroter Farbpunkt vor dem stürmischen Himmel. Chavasse runzelte verstört die Stirn. Irgend etwas war anders als beim letzten Besuch hier – irgend etwas stimmte nicht. Als sie näher kamen, bemerkte er es. Diesmal war vor den Mauern kein Lager aufgeschlagen.
Die ganze Anlage wirkte vernachlässigt. Es war beinahe, als näherten sie sich einer alten, seit vielen Jahren verlassenen Ruinenstadt. Langsam fuhr er durch das weit offene Tor auf
den Klosterhof und trat jäh auf die Bremse.
An der gegenüberliegenden Wand kauerten eine Reihe gelb gekleideter Mönche in verkrampfter Haltung. Einige hatten die Finger in den Sand gegraben, andere die Knie an den Leib gezogen, als sei ihnen der Tod besonders schwer geworden.
»Mein Gott!« flüsterte Hoffner voller Entsetzen.
»Vielleicht gibt Ihnen das hier einen zarten Hinweis darauf, wie die Chinesen dieses Land zu regieren versuchen«, sagte Chavasse. »Bleiben Sie im Jeep, ich sehe mich nur rasch um.«
Kurz zuvor hatte er im Handschuhfach des Jeeps eine ausge
zeichnete Militärkarte der ganzen Gegend entdeckt, außerdem zwei Handgranaten und ein Magazin FünfundvierzigerMunition unter dem Sitz. Die Munition gehörte anscheinend zu dem Maschinengewehr, das normalerweise auf dem Drehkranz montiert war. Rasch lud er die Maschinenpistole nach und schob sich noch eine Handvoll Patronen in die Tasche. Dann ging er auf das Klostertor zu.
Auf dem steinbelegten Korridor war es kalt und leer. Irgend wo in der Nähe hörte er ein leises, monotones Murmeln. Er trat durch einen niedrigen Torbogen und befand sich im Haupttem pel.
Vor der riesigen Buddhastatue brannten Kerzen. Davor kniete ein Mönch im Gebet. Er drehte sich um und stand auf. Chavas se blickte in das vertraute, pergamentfarbene Gesicht des Abtes – des alten Mannes, den er bei seinem Erwachen nach dem Totentanz zuerst gesehen hatte. Wie lange war Kurbsky tot? Tausend Jahre?
»Es freut mich, Sie wiederzusehen«, sagte der Abt ruhig.
»Die Freude ist auf meiner Seite. Aber was ist hier vorgefal
len?«
»Die Chinesen haben verfügt, daß alle Klöster geschlossen werden sollen. Wir wußten, daß es früher oder später so kom men mußte. Gestern waren sie hier, mit einem starken
Reitertrupp.«
»Und Joros Männer?« fragte Chavasse. »Konnten die Ihnen nicht beistehen?«
Der alte Mönch schüttelte den Kopf. »Sie sind vor zwei Wo chen weggezogen, um sich einer stärkeren Gruppe weiter südlich anzuschließen.« Seine alten, weisen Augen blickten Chavasse an. Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie, mein Sohn, sind ein anderer geworden. Sie sind durchs Fege feuer gegangen.«
»Joro ist tot«, sagte Chavasse leise.
Der Abt nickte. »Für jeden Mann kommt einmal die Zeit. Man kann seinem Schicksal nicht entrinnen. Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie
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