Geisel der Leidenschaft
neben dem Bett nieder und versuchte zu beten. Aber ihr Gehirn war ebenso kalt und leer wie der Körper ihres geliebten alten Freundes.
Trotzdem blieb sie bei ihm und schlief irgendwann ein, immer noch auf den Knien.
Eine Hand streichelte ihre Schulter und weckte sie. »Bitte, Mylady, kommt mit mir. Euer Gemahl muss für das Begräbnis vorbereitet werden.«
Verwirrt blickte Eleanor zu Bridie auf. »Niemand außer dir und seinem Kammerdiener darf ihn anrühren.«
»Aye, Mylady. Ich verstehe. Doch Ihr braucht nun ein wenig Ruhe.«
Eleanor ließ sich auf die Beine helfen. »Sogar der Arzt nimmt an, mein Mann sei vergiftet worden. Und Alain hat es selbst gesagt. So viel hat er durch mich zu erdulden gehabt...«
»Sicher habt Ihr ihm kein Gift eingeflößt.«
»O Gott, natürlich nicht! Aber meinetwegen musste er so grauenhafte Qualen ertragen.«
»Ihr habt ihm das letzte Glück seines Lebens geschenkt, Mylady.«
»Wäre er nicht nach England gereist, würde er noch leben.«
»Bitte, Mylady, ruht Euch endlich aus. Sonst schadet Ihr Eurem Kindchen.«
Mit diesen mahnenden Worten erzielte Bridie die gewünschte Wirkung. Eleanor küsste ein letztes Mal die kalte Stirn ihres Mannes, strich über sein weißes Haar und liebkoste seine prägnanten Züge. Dann folgte sie der Zofe ins Nebenzimmer. Bridie reichte ihr einen gefüllten Becher.
»Was ist das?«
»Glühwein. Der wird Euch helfen einzuschlafen.«
Nachdem Eleanor den Becher geleert hatte, legte sie sich hin und die Zofe nahm auf der Bettkante Platz.
»Du bist so dünn, Bridie. Bald wird man deinen Zustand sehen.«
»Aye, Mylady.«
»Alain wollte dir helfen und dich nach Schottland schicken. Leider kam er nicht mehr dazu ...« In Eleanors Augen glänzten neue Tränen.
»Regt Euch nicht auf, lasst den Wein wirken und gönnt Eurer Seele ein bisschen Erholung.«
Gehorsam senkte Eleanor die Lider. Bridie breitete eine warme Decke über den Körper ihrer Herrin aus.
»Irgendwie werde ich Mittel und Wege finden, um dir zu helfen, Bridie.«
»Helft erst einmal Euch selbst, meine liebe Lady ...« Besänftigend sprach die Zofe weiter, bis Eleanor endlich einschlummerte. Die Erschöpfung und der Glühwein forderten ihren Tribut.
Während der nächsten beiden Tage sprach sie kaum mit jemandem, suchte festliche Kleider für ihren verstorbenen Mann und bestellte bei Richard Egans, dem besten Tischler im Dorf, einen Sarg aus edlem Holz.
Alain wurde in der Halle aufgebahrt. Bedrückt erwiesen ihm alle Dorfbewohner die letzte Ehre, beteten und legten Frühlingsblumen neben die Leiche. Vater Gillean, der rundliche kleine Priester, der schon seit beinahe fünfzig Jahren für das Seelenheil der Gemeinde sorgte, würde den Trauergottesdienst in der Dorfkirche abhalten. Aus diesem Anlass suchte er gemeinsam mit Eleanor einige Bibeltexte aus, die er vorlesen würde.
Am vierten Morgen nach Alains Tod wurde der Leichnam von sechs jungen Männern zum Altar der alten steinernen Kirche getragen. Eleanor stand zwischen ihren beiden Vettern. An Corbins anderer Seite vergoss Isobel effektvolle Tränen.
Nach der Messe, als der Tote auf den Friedhof gebracht werden sollte, trat ein Mann in den Farben des Dukes of York an Eleanors Seite. Sie kannte ihn nicht. Aber er übte offenbar einen gewissen Einfluss aus, weil sein Familienwappen auf sein Wams gestickt war. Allem Anschein nach hatte Alfred die Ankunft des Fremden erwartet, denn er nickte ihm mit ernster Miene zu.
»Eleanor, Countess of Clarin und de Lacville?«, fragte der Besucher.
»Ja?«
»Folgt mir ins Schloss, Lady.«
Verblüfft schaute sie Alfred an, der ihrem Blick voller Unbehagen auswich. »Bedauerlicherweise haben die Umstände von Alains Tod ein gewisses Aufsehen erregt, Eleanor. Darf ich dir Sir Miles Fitzgerald vorstellen? Er wurde vom Duke of York hierher geschickt, mit dem Auftrag, gewisse - Nachforschungen anzustellen.«
»Aber ...«In wachsendem Entsetzen wandte sie sich wieder zu Fitzgerald. »Mein Mann liegt noch nicht einmal unter der Erde ...«
»Er wird erst bestattet, wenn meine Ärzte ihn untersucht und mit Eurem Doktor gesprochen haben, Countess. Gegen Euch besteht ein gewisser Verdacht.«
»Warum hast du mir nichts davon erzählt, Alfred?«, fragte sie.
»Weil ich dich nicht zusätzlich aufregen wollte.«
Nun schwanden die letzten Reste der Erstarrung, die Eleanor tagelang fast gelähmt hatte. »Ich werde des Mordes beschuldigt - und du wolltest mich nicht aufregen?«
»Vorerst werden wir
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