Geister der Vergangenheit
in der Lage, seinen eigenen Körper aufzurichten. So geriet er in eine Position, in der er mehr und besser sah. Den Ritter entdeckte er nicht. Er wusste auch nicht, ob der das Haus tatsächlich verlassen hatte. Es kam ihm nur in den Sinn, dass man ihn nicht getötet hatte.
Und noch etwas wusste er jetzt.
Der Ritter war nicht nur eine gespenstische Traumgestalt. Es gab ihn tatsächlich. Für Bruce Atvill stand fest, dass er einen Todfeind besaß.
Es war so still geworden. Als er sich bewegte, erklang wieder das leise Brechen der Spiegelscherben. Er schaute auf seine Hände, und sah sie dort stecken. Im Gesicht hatte er ebenfalls etwas abbekommen, aber das war jetzt nicht wichtig. Er lebte, und er wusste auch, dass er weiterhin leben würde. Zumindest bis zum nächsten Abend. Man hatte ihm gesagt, wohin er gehen sollte.
Normalerweise war er ein Mensch, der auf so etwas nicht reagierte. In diesem Fall lief es anders. Er würde hingehen, er musste hin, und vielleicht war es ihm sogar möglich, sein Leben zu retten.
Aber den Grund des Treffens kannte er nicht...
***
Das Bad war groß und schwarz gekachelt. Die heißen Strahlen des Duschwassers strömten auf den nackten Körper des Malers nieder. Er hoffte, sich durch diese Dusche wieder etwas zu erholen, denn eine Alternative hatte er nicht gesehen.
Zuvor hatte er sich so gut wie möglich die kleinen Scherben aus seinem Gesicht gezupft. Es war nicht leicht gewesen. Er hatte oft genug leise aufgeschrien. Selbst in seinen Haaren steckten sie, aber das Wasser würde sie wegspülen.
Die Angst blieb auch weiterhin. Sie war nur nicht mehr so nahe bei ihm. Jetzt lauerte sie in der Zukunft, und noch immer wusste er nicht, warum er zu diesem Richtplatz gehen sollte. Er war ihm bekannt, denn jeder, der hier wohnte, wusste über ihn Bescheid. Ein Richtplatz und ein altes Kloster gehörten zusammen.
Das war zwar paradox, aber es traf zu, denn wo früher Menschen hingerichtet worden waren, hatte man ein Kloster errichtet, um damit so etwas wie Buße für diese Schandtaten zu tun.
Das lag Jahrhunderte zurück. Den Richtplatz gab es zwar noch und auch die alten Klostermauern, ansonsten hatte man damit nichts mehr zu tun. Es sei denn, man erzählte sich die alten Legenden und Geschichten, die sich darum rankten.
Er verließ die Dusche. Da er die Farbe schwarz liebte, griff er zwangsläufig zu einem schwarzen Handtuch, mit dem er sich vorsichtig abtrocknete. Es war an bestimmten Stellen mehr ein Tupfen als ein Trocknen, denn auch wenn die Wunden klein waren, so wollte er sie nicht durch unsachgemäßes Behandeln aufreißen.
Alles ging seinen Gang.
Auch das Anziehen. Nur eben vorsichtiger. Einige Mal biss Atvill die Zähne zusammen, aber er war auch kein Weichling. Auf Pflaster hatte er verzichtet, weil die Wunden nicht mehr bluteten.
Er verließ das Bad und ging durch den kleinen Flur in seinen Wohnraum. Auch der wirkte wie ein Gefängnis, weil die beiden Fensterluken viel zu klein waren.
Genau das wollte er. Mehr Schatten als Licht. Und wenn die Sonne durch die Öffnungen fiel, dann erreichten ihre Strahlen bestimmte Stellen im Raum.
Zumeist wurden seine eigenen Bilder getroffen und auch die beiden Plastiken, die er geschaffen hatte. Zwischen ihnen stand das Telefon in der Station.
Es meldete sich mit einem schrillen Geräusch. Es konnte im ganzen Haus gehört werden.
Bruce Atvill nahm ab.
»Hey, ich bin es, Bruce«, erklang Boswell’s Stimme. »Ich habe eine tolle Nachricht für dich. Das Bild habe ich bereits verkauft.«
Der Maler sagte nichts.
»He, Bruce, bist du noch dran?«
»Ja.«
»Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
»Bin ja nicht taub.«
»Und?«
»Toll.«
Clive Boswell, der Galerist, war zwar nicht geschockt, er zeigte sich schon verwundert, was auch an seinem tiefen Luftholen zu hören war. »Was ist denn los mit dir? Freust du dich nicht?«
»Schon.«
»Willst du nicht wissen, welche Summe der Käufer auf den Tisch blättern will.«
»Das kannst du mir später sagen«, brummte Atvill.
»Scheiße, später, das muss jetzt raus. Es ist ein Franzose. Er zahlt in Euro. Hunderttausend will er auf den Tisch lagen. Hast du gehört? Hunderttausend. Bar auf die Kralle. Er will nicht mal eine Rechnung haben, nur dein Bild. In zwei Tagen erscheint er bei mir, und dann kannst du kassieren.«
»Wie du.«
»Klar, das ist meine Provision. Aber die zwanzig Prozent kannst du verkraften, alter Pinselquäler.«
»Noch was?«
Boswell wurde so leicht nicht
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