Geister der Vergangenheit
sprachlos. Doch das sah in diesem Fall anders aus. »He, was ist los mit dir? So habe ich dich noch nie erlebt.«
»Ich habe einen schlechten Tag.«
»Wie schön.« Der Galerist lachte. »Ich habe das nicht ernst gemeint, mein Lieber. Jetzt habe ich dich wohl aufgelockert.«
»Ich habe mal eine Frage.«
»Aber immer.«
»Du kennst doch den Richtplatz?«
Die Worte hatten Boswell so überrascht, dass er in den nächsten Sekunden nichts sagen konnte, bis er schließlich fragte: »Hast du den Ritter wieder gesehen?«
»Kennst du ihn? Oder kennst du ihn nicht?«
»Doch, ja.« Boswell räusperte sich. »Den Ort kennt doch jeder, der hier lebt. Da stehen auch noch die alten Klostermauern.«
»Stimmt. Bist du denn schon mal dort gewesen?«
»Nein. Was hätte ich da tun sollen? Ab und zu spielen dort Kinder. Das sind bei ihnen dann Mutproben.«
»Ach so.«
»Und was sollte die Frage? Seit wann interessierst du dich für solche Orte? Willst du sie malen oder was?«
»Nein, nein, das war nur mal eine Frage, die mir in den Sinn kam. Ich habe hier gesessen und nachgedacht.«
»Wie schön. Denk mal an dein nächstes Werk. Der Franzose ist richtig geil danach.«
»Ja, ja, ich weiß. Aber du kannst ihm sagen, dass ich eine Pause einlegen werde.«
»Nein, bitte...«
»Doch!«
Der Galerist schluchzte fest auf. »Wie lange soll die Pause denn werden? Kannst du mir das sagen?«
»Kann ich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich erst noch nachdenken muss.«
»Aha. Wie über den Richtplatz.«
»Genau.«
Clive Boswell fing an zu lachen. »Das ist übrigens eine wahnsinnige Idee, alter Junge. Wenn du den Richtplatz auf deine Art und Weise auf die Leinwand bringst, ist das erste Sahne. Du wirst es schaffen, die Stimmungen, die du fühlst, in dein Werk hineinzubringen. Davon bin ich fest überzeugt.«
»Ich werde nichts davon malen, Clive.«
»Wirf es nicht zu weit weg. Wir werden noch darüber reden.«
»Ja, das werden wir«, erwiderte der Künstler und legte auf. Er war froh, den Galeristen nicht mehr zu hören. Clive Boswell war ein netter Kerl, aber manchmal ging er Bruce schon auf den Wecker.
Er wollte nicht mehr an seine Arbeit denken. Das andere war wichtiger. In seinem Innern spürte er, dass er hingehen musste. Wenn nicht, würde es böse mit ihm enden...
***
Das kleine Lokal reihte sich perfekt in das Straßenbild der City ein, dessen kleine Häuser aussahen wie blank geputzt. Man legte hier in Hampstead viel Wert auf das Erhalten des Alten. Er wurde nicht so einfach zu Seite gewischt und das hatte sich gelohnt. Hampstead war zu einem Ort geworden, in dem es sich lohnte zu leben, das hatten auch zahlreiche Menschen herausgefunden, die genügend Geld besaßen, um sich hier ein Haus oder eine Wohnung zu leisten.
Das Lokal – mehr ein Café – war ebenfalls im alten Stil eingerichtet. Da gab es gepolsterte Stühle, aber auch kleine bequeme Sessel, verteilt um runde Tische.
Suko und ich wollten uns zunächst informieren. Wir hatten Bill Conolly zusammen mit Fiona Rush und Phil Granger in diesem Café zurückgelassen, weil wir uns noch einige Informationen abholen wollten, und dabei sollten uns die Kollegen helfen.
Das Revier gehörte noch zur Londoner Metropolitan Police. Es war gut besetzt, wie ich zuvor erfahren hatte. Dafür hatten wohl Menschen mit Einfluss gesorgt. Angemeldet hatten wir uns ebenfalls, aber den genauen Grund des Besuchs nicht genannt.
Geleitet wurde die Station von einem Inspektor Justin Garner. Er war schon etwas älter und hatte Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Donald Sutherland, nur waren die Haare des Kollegen nicht so weiß. Sie besaßen noch ihre volle Schwärze.
In der Dienststelle besaß er ein eigenes Büro, in das er uns bat. Wir bekamen nicht nur Platz angeboten, sondern auch frisch aufgebrühten Kaffee. Als wir uns gegenübersaßen, lächelte uns der Kollege gespannt an und wollte wissen, was der hohe Besuch zu bedeuten hatte.
Ich nahm ihm den Wind aus den Segeln und sagte, dass man von einem hohen Besuch wohl nicht sprechen könnte.
»Wie man’s nimmt. Scotland Yard verläuft sich nicht so oft zu uns. Es sei denn, es geht um die richtige Platzierung der Überwachungskameras. Aber das kennen Sie ja aus London.«
»Sicher.«
Suko fragte: »Wird denn hier alles überwacht?«
»Nein, nein, nur die strategisch wichtigen Stellen in der Innenstadt. Und weshalb sind Sie nun hier?«
»Wir suchen einen bestimmten Ort, der sich hier in der Nähe befindet«, sagte
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