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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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dort Nachrichten hinterlassen. Es war so romantisch.«
    Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie von Colins und
Lizas
Geheimversteck sprach. Mir fiel ein, dass Coralee erzählt hatte, Liza habe die Nachrichten gebracht und abgeholt. Ellie musste das gesehen und die Situation missverstanden haben. Sie glaubte, die Nachricht sei für ihre Schwester bestimmt.
    In Wirklichkeit war sie für Ro gewesen.
    »Ich weiß, es ist falsch, aber manchmal habe ich die Zettel gelesen. Nur so. Und ich habe sie immer wieder zurückgelegt.«
    »Bis auf diesen?«
    Ellie blieb stehen. »Sie wollte
weggehen
.« Sie sah bestürzt aus. »Sie wollte mich allein lassen. Sie hat mir versprochen, dass wir eines Tages zusammen weglaufen, aber sie wollte ohne mich gehen. Ich … das wollte ich einfach nicht.«
    »Oh, Liebes.« Ich nahm sie in die Arme. »Was hast du getan?«
    »Ich habe Victoria den Zettel gezeigt, und sie hat es meinem Dad erzählt. Ich dachte, die würden sie aufhalten. Stattdessen …« Sie schluchzte wieder. »Ich habe nicht gedacht, dass sie sich deswegen umbringt. Ich habe nicht gedacht, dass sie sich umbringt, nur weil sie bei uns bleiben muss. Wenn ich ihr den Zettel gegeben hätte, wäre sie noch am Leben.«
    »Nein«, sagte ich und wischte ihr die Tränen ab. Sie musste jetzt dreizehn sein, sah aber, traurig wie sie war, eher wie zehn aus. »Der Zettel hatte nichts mit dem zu tun, was passiert ist.«
    »Nein? Woher weißt du das?«
    »Weil er nicht für deine Schwester bestimmt war. Er war für mich.«
    »Aber …«
    »Sie hat die Zettel für mich hingebracht und abgeholt. Weil niemand wissen sollte, dass ich mit Colin zusammen war.«
    »Das kann nicht …«
    »Vertrau mir.«
    »Ganz ehrlich?«
    »Ohne jeden Zweifel.« Und dann fügte ich aus Gründen, die ich mir selbst nicht erklären konnte, hinzu: »Sag niemandem, dass du mir den Zettel gegeben hast. Es wäre besser, wenn das unter uns bleibt. Ich meine, er war ja ohnehin für mich.«
    Sie nickte. »Ich nehme an, das ist wahr.«
    Ich lächelte ihr zu. »Und ich nehme an, du könntest ein Frühstück vertragen.«
    »Hm, ich … ich würde lieber nach Hause fahren. Wenn das in Ordnung ist. Ich will nicht, dass mich jemand hier sieht.«
    Sie fürchtet sich vor etwas
, dachte ich.
Sie hat Angst. Aber nicht vor mir. Und nicht, weil sie ihre Schwester getötet haben könnte. Es ist etwas anderes.
Ich erinnerte mich an das Weihnachtsfoto von Liza mit den gebrochenen Fingern und an das gebrochene Bein im Frühjahr. »Ist bei euch zu Hause alles in Ordnung? Mit eurem Vater?«
    Sie wirkte plötzlich angespannt. »Mit Dad ist alles in Ordnung. Ich muss einfach nur zurück.«
    »Ganz sicher? Soll ich jemanden bitten, dich nach Hause zu fahren?«
    »Nein, mein Bus geht in einer halben Stunde.«
    Schließlich war sie einverstanden, dass ich sie mit einem Taxi an der Bushaltestelle absetzte und die Fahrkarte bezahlte, mehr wollte sie nicht annehmen.
    Ich fuhr mit demselben Taxi zurück nach Silverton House. Dabei hielt ich die ganze Zeit über den Zettel in der Hand, als wäre er ein magischer Gegenstand, der jederzeit verschwinden konnte. Die Handschrift kam mir vertraut vor, und ich vermutete, dass ich Colins Schrift irgendwo schon einmal gesehen hatte. Also hatte er nicht gelogen, er war wirklich nicht davon ausgegangen, dass zwischen ihm und Ro Schluss gewesen war. Er hatte mit ihr weglaufen wollen.
    Warum also war Ro so wütend geworden, dass sie sein Gesicht zerkratzt hatte? Und weshalb
hatte er am Abend der Party an
Liza
gesimst?
    Ich bezahlte den Taxifahrer und wollte gerade um das Haus herum zum Hintereingang gehen, als ich zwei Leute streiten hörte. Ein paar Schritte weiter entdeckte ich einen silbernen VW -Käfer und ein Stück daneben Bridgette und Jordan North.
    Bridgette gestikulierte wild, wie ich es bei ihr noch nie erlebt hatte, und sie war ungekämmt. Jordan sagte etwas von wegen »außer Kontrolle«, während ich von Bridgette »das verstehst du nicht« und »bitte« hörte. Sie schienen sich nicht einigen zu können, denn Jordan sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, und marschierte zum Auto.
    Sie entdeckte mich, bevor ich verschwinden konnte. »Ich wollte nicht lauschen.«
    Jordan trug einen Stapel Kleidungsstücke über dem Arm und wirkte erschöpft, als hätte sie die ganze Nacht geweint. »Du kannst lauschen, so viel du willst. Der ganze Streit ging darum, wie gefährlich Geheimnisse sind. Je mehr Leute es also hören, desto

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