Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
Vom Netzwerk:
können, war, dass Sara und er möglicherweise früher von Bennis Schicksal erfahren hätten, wenn der Junge die Wahrheit gesagt hätte. Doch auch dann wäre es zu spät gewesen, um sein Leben zu retten, denn der Junge hatte erst am nächsten Tag vom Verschwinden seines Freundes erfahren. Als die Polizei zu ihm nach Hause gekommen war und ihm gesagt hatte, dass nach Benni gesucht würde, hatte er die Wahrheit sagen wollen, aber bei dem irritierten Gesichtsausdruck seiner Mutter Skrupel bekommen und die Geschichte abgeändert. Er hatte geglaubt, er würde Ärger bekommen, weil Benni und er sich auf dem Parkplatz verstecken wollten. Den Kindern war es streng verboten, die Straße zwischen ihrem Viertel und der Tankstelle zu überqueren. Als die Polizisten sehr ernst reagiert hatten, hatte er sich in seinem kindlichen Denken eingeredet, dass Benni sein Versteck bestimmt verlassen hätte, bevor er verschwunden wäre.
    Freyr ermahnte sich, dass es nichts brachte, sich endlos darüber den Kopf zu zerbrechen. Als der Junge von Bennis Verschwinden erfahren hatte, war der längst tot gewesen. Wenn Benni bei Bewusstsein gewesen wäre, hätte er auf sich aufmerksam gemacht, als der Container vom Anhänger auf das Boot nach Hesteyri gehoben worden war. Wahrscheinlich hatte er einen Zuckerschock bekommen, als das Auto losgefahren und er sich seiner Lage bewusst geworden war – in seiner verzweifelten Lage hatte er Insulin gebraucht, das ihm seine gestörten Körperfunktionen nicht hatten geben können. Die Frage, warum er sich nicht bemerkbar gemacht hatte, als der Anhänger wieder an das Auto angekuppelt worden war, würde wohl nie beantwortet werden, vielleicht hatte er zu lange darüber nachgedacht und sich vor dem Zorn des Autobesitzers gefürchtet. Wenn jemand schuld war, dann Freyr. Wenn er Líf nicht getroffen hätte, wäre er dem Mann nicht hinten draufgefahren, und der Anhänger hätte gar nicht auf dem Parkplatz gestanden, als Benni und der andere Junge dort aufgekreuzt waren. Dann hätte sich Benni hinter etwas fest Festverankertem versteckt, wäre von den anderen Kindern gefunden worden, und das Leben wäre ganz normal weitergegangen.
    »Ich bin ein solcher Idiot, Dagný«, sagte Freyr ohne genauere Erklärung.
    »Ich denke, wir sollten uns beeilen«, entgegnete Dagný, die ihn nicht weiter bedrängte. »Falls du dir sicher bist, dass du mitfahren willst«, sagte sie verlegen, so als fürchte sie, dass das Gespräch zu persönlich werden könnte. Freyr nahm es ihr nicht übel. »Ich habe einen Skipper ausfindig gemacht, der sich zutraut, uns nach Hesteyri zu bringen. Veigar kommt mit, ich bin nicht im Dienst, deshalb ist es besser, wenn er dabei ist. Aber es ist sehr stürmisch, wenn du leicht seekrank wirst, solltest du lieber hierbleiben.«
    Freyr schaute sie an. Er hatte nicht die geringste Ahnung, ob er leicht seekrank würde, da er so selten mit dem Schiff fuhr. Aber es spielte auch keine Rolle, er wäre bereit, sich die Seele aus dem Leib zu kotzen, um nach Hesteyri zu kommen.
    »Ich komme mit«, sagte er mit all der Überzeugung in der Stimme, an der es seiner Seele mangelte.
     
    Die Taschenlampen brachten nicht viel in der Dunkelheit. Vom Deck des Schiffes aus konnte Freyr nur die Umrisse von Häusern sehen, die auf der Ebene zwischen Strand und Bergen standen. Es war kaum zu erkennen, wo die Berge endeten und der Nachthimmel anfing.
    »Ich hab versucht, sie zu warnen«, sagte der Kapitän und zog fest an dem Seil, mit dem er das Boot am Steg befestigt hatte. Das Meer war unruhig, und er wollte sichergehen, dass das Boot noch da war, wenn sie zurückkämen. »Ich wollte ihnen nicht unnötig Angst einjagen und bin nicht ins Detail gegangen, aber euch kann ich ja sagen, dass es ziemlich viele Gerüchte über dieses Haus gibt. Von dort kann man den Fjord überblicken, und angeblich sind schon mehrere Leute mit dem Haus vor Augen ertrunken, es war das Letzte, was sie in diesem Leben gesehen haben. Die Verzweiflung eines Ertrinkenden ist mit nichts zu vergleichen, sie könnte einen gewissen Einfluss haben.«
    Veigar schnaubte. »Wir schauen mal bei ihnen rein, wir müssen ja zu ihrem Haus. Ihre Handys sind ausgeschaltet, und sie haben nicht angerufen, sagen Sie?«
    »Ja, aber ich habe auch nicht unbedingt damit gerechnet. Wir hatten verabredet, dass ich sie morgen Abend abhole. Ich hoffe, sie sind bereit, jetzt mitzukommen, dann spare ich mir die Fahrt morgen. Die Wettervorhersage ist ziemlich schlecht, und wenn

Weitere Kostenlose Bücher