Geisterhauch (German Edition)
Dollar achtundfünfzig Cent –, dass dieser Jemand Kyle Kirsch war. Der Kongressabgeordnete. Unser Mörder.
Andererseits waren das vielleicht ganz verrückte Zufälle, eine sonderbare Verkettung von Umständen, die sich um eine Gruppe von Jugendlichen aus Ruiz in New Mexico und um einen Mann drehten, der zufällig seine Kandidatur zum Senat zur selben Zeit bekannt gab, zu dem seine Klassenkameraden umkippten wie die Fliegen im September. Klar, und ich würde noch dieses Jahr zur Ms Finnland gekürt werden.
Dank Kyle Kirsch hatte ich nun noch eine schwierige Frage, die in mir rumorte. Was hatte dieser Kerl getan? Sofern er nicht an Ritualopfern für einen finsteren Sektenführer teilgenommen hatte oder sein ganzes Leben lang Amway-Vertreter gewesen war, konnte ich unmöglich gutheißen, dass er unschuldige Menschen umbrachte.
Er musste zu Fall gebracht werden. Vorzugsweise schmerzhaft.
Ich ging auf Kim Millars indianisch gestylten Wohnkomplex zu und klopfte an ihre türkisfarbene Tür.
»Miss Davidson«, sagte Kim, als sie öffnete, und riss besorgt die Augen auf. Sie fasste mich am Handgelenk und zog mich nach drinnen. »Wo ist er?« Ihre kastanienbraunen Haare waren zum Pferdeschwanz gebunden, und sie hatte dunkle Ringe unter den graugrünen Augen. Sie sah geradezu hohlwangig aus. Bei unserer ersten Begegnung war sie mir schon sehr zart vorgekommen. Jetzt schien sie jeden Augenblick zu zerbrechen.
Ich nahm ihre Hand in meine, während sie mich zu ihrem Sofa führte.
»Ich hatte gehofft, das könnte ich von Ihnen erfahren«, sagte ich, nachdem wir uns gesetzt hatten.
Die Hoffnung, an die sie sich mit Klauen und Zähnen geklammert hatte, zerstob. Ein Grauschleier legte sich über ihre Aura, und ihr Blick wurde düster.
Ich wusste nicht, wie viel ich ihr verraten konnte. Würde ich es wissen wollen, wenn mein Bruder praktisch vorhatte, Selbstmord zu begehen? Und ob. Kim hatte das Recht zu erfahren, was ihr starrköpfiger Bruder vorhatte.
»Er ist im Augenblick stinksauer auf mich«, begann ich.
»Sie haben ihn gesehen?«
Mir wurde klar, wie schwer ihr Arrangement für sie war. Sie hatten jeden Kontakt abgebrochen. Reyes wollte nicht mehr, dass ihr seinetwegen etwas zustieß, und sie wollte nie wieder das Druckmittel sein, mit dem er sich erpressen ließ. Niemand, nicht einmal der Staat wusste, in welcher Beziehung sie zu ihm stand. Zwar waren sie nicht blutsverwandt, aber Geschwister durch und durch, und ich hatte das Gefühl, dass Reyes ziemlich aus der Haut fahren würde, wenn er wüsste, dass ich mit ihr redete.
»Kim, wissen Sie, was er ist?«
Sie zog grazil die Stirn kraus. »Nein. Eigentlich nicht. Ich weiß nur, dass er etwas Besonderes ist.«
»Das ist er«, bestätigte ich und beugte mich eifrig nach vorn. Nicht, dass ich vorhatte, ihr zu verraten, was er wirklich war. »Und er kann seinen Körper verlassen.«
Sie schluckte mühsam. »Ich weiß. Das weiß ich schon lange. Und er ist sehr stark und schnell.«
»Genau. Und wenn er seinen Körper verlässt, ist er noch stärker und schneller.«
Mit einem sanften Nicken gab sie mir zu verstehen, dass sie vorläufig folgen konnte.
»Aus diesem Grund«, sagte ich und hoffte sehr, ihr nicht das Herz zu brechen, »hat er beschlossen, seinen Körper sterben zu lassen.«
Sie sah mich mit ihren rot geränderten Augen fassungslos schweigend an, bis die Bedeutung meiner Worte zu ihr durchdrang, dann schlug sie die Hand vor den Mund und starrte ungläubig. »Das darf er nicht tun«, hauchte sie traurig.
Ich drückte ihre Hand. »Ganz meine Meinung. Ich muss ihn finden, aber er will mir nicht sagen, wo sein Körper liegt. Er ist verletzt.« Das war untertrieben, aber sie brauchte nicht zu wissen, wie ernst die Lage war. Wie wenig Zeit uns blieb.
»Was? Wie?«
»Das weiß ich auch nicht«, log ich. »Aber ich muss ihn finden, bevor es zu spät ist. Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte?«
»Nein«, ihre Stimme brach, Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Aber der U. S. Marshal hat gesagt, dass er in großen Schwierigkeiten steckt.«
Mir stockte das Blut in den Adern. Niemand, nicht einmal der Staat wusste, dass Kim mit Reyes aufgewachsen war. Sie waren vollkommen voneinander abgekoppelt. Ohne Kontakt. Darauf hatte Reyes bestanden. Und es gab keine behördlichen Unterlagen, die die beiden miteinander in Verbindung brachten. Jedenfalls soweit mir bekannt war.
»Und jetzt das«, fuhr sie fort, ohne mein Erschrecken zu bemerken. »Warum? Warum will er
Weitere Kostenlose Bücher