Geisterkrieg
»Optimistisch wie immer.«
»Es könnte schlimmer sein.«
Die Gräfin hob eine Augenbraue. »Tatsächlich? Wie?«
Ich öffnete den Mund, doch es drang kein Laut heraus. Das Problem war nicht, dass ich ihre Frage nicht beantworten konnte. Vielmehr lag es daran, dass ich zu viele mögliche Antworten hatte.
Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit.
- Hiram Johnson
Rittersaal, Santa Fe, Nordamerika, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
7. Januar 3133
Im Verlauf des nächsten Monats etablierte sich ein Schema, wenn auch keine echte Routine - mit einer Pause für die Feiertage, die das Arbeitspensum erträglich machte. Wir durchsuchten Zusammenfassungen der von überall einlaufenden Nachrichten. Sobald wir etwas möglicherweise Interessantes oder Wichtiges fanden, riefen wir den betreffenden Bericht und alle relevanten Fakten dazu auf. Dann studierten wir dieses Material und erstellten unsere eigene Zusammenfassung.
Nun sollte man angesichts des zusammengebrochenen Kommunikationsnetzes meinen, dass die Datenmengen, die wir auf diese Weise filtern mussten, begrenzt waren. In gewisser Hinsicht stimmte das auch, denn es war nur ein Bruchteil dessen, was uns bei funktionierendem Netz zur Verfügung gestanden hätte. Das Problem war: Hätte das Netz funktioniert, hätten wir Berichte vom örtlichen Personal der Republik erhalten, das bereits im Vorfeld Tatsachen von Gerüchten getrennt und die Meldungen durch Hintergrund und Gewichtungen vorverdaut hatte.
Aber diese Art von Bericht traf nicht mehr schnell oder zuverlässig ein. Im Grunde existierte diese Art von Bericht nicht einmal mehr. Stattdessen bekamen wir einen Berg an Material, dessen Güte den
Abfallhalden eines Erzbergwerks entsprach: Sie enthalten unter Umständen noch wertvolle Spurenelemente - diese aber aus dem unbrauchbaren Schutt zu trennen, ist mühsam, teuer und zeitaufwändig.
Sprungschiffe transportierten Informationen nur lückenhaft und indirekt zwischen den Systemen. Während sie am Sprungpunkt im All hingen und den Kearny-Fuchida-Antrieb aufluden, speicherten sie Breitbandaufzeichnungen aller Kommunikationsmedien des Systems. Sie saugten TriVidsendungen auf, wie sich manche Esser an Spaghetti voll fressen. Sie sammelten alles, kopierten es, tauschten es mit anderen Schiffen aus und verteilten es. Während eines einwöchigen Aufladeaufenthalts fingen sie im Durchschnitt 20.000 Kanalstunden pro Welt auf, und wenn sie das Solsystem erreichten, übergossen sie uns mit Hunderten von Menschenjahren an Sendungen zur Analyse. Es war zwar möglich, diese Daten per Computer nach Schlüsselbegriffen zu durchsuchen, doch es kostete Zeit, die Kataloge dieser Begriffe zu erstellen, und wenn in einem Bericht etwas Wichtiges auftauchte, kamen neue Schlüsselbegriffe hinzu und die Suche musste wiederholt werden.
In gewisser Hinsicht begeisterte diese Jagd. Ich fühlte mich wie ein Jäger irgendwo in der Savanne, der die Fährten der Schakale untersuchte und hoffte, Löwenspuren darunter zu entdecken. Und hin und wieder war ich überzeugt, etwas gefunden zu haben, und folgte der Fährte, bis ich zugeben musste, mich getäuscht zu haben. Dann folgte ich den Schakalspuren wieder zurück und schrieb einen Bericht.
Nur zu häufig endeten auch diese Berichte mit einem großen Fragezeichen.
Das Hauptproblem dabei war natürlich, dass wir keinerlei Möglichkeit hatten, die Informationen zu überprüfen, mit denen wir arbeiteten. Um es einfach zu sagen: Wie sollten wir TriVid-Nachrich-ten von Helen bewerten, die auf Pressemeldungen von Commander Reis beruhten? Selbst wenn die Fakten stimmten, selbst wenn wir alle bloßen Vermutungen ausschlossen, gab uns schon die Auswahl dessen, was überhaupt berichtet wurde, die eine oder andere Richtung vor.
Und zu beurteilen, was nicht gesagt wird, ist noch viel schwieriger. Erhielten wir keine Berichte über die Missachtung von Bürgerrechten von Helen, weil Reis sie unterdrückte, dann gab es auch keine Missachtung von Bürgerrechten, oder hatte nur gerade niemand die Nachrichten aufgezeichnet, als über sie berichtet wurde? Waren die Umfrageergebnisse, die wir sahen, korrekt, oder hatte sie jemand manipuliert, um unangenehme Tatsachen zu verschleiern?
Victors Schwester Katrina hatte derartige Methoden benutzt, um ihm die Vereinigten Sonnen zu entreißen, während er unterwegs war und gegen die Clans kämpfte. Victor hatte sein Reich in der Obhut seiner jüngsten Schwester, Yvonne, zurückgelassen. Katrina hatte
Weitere Kostenlose Bücher