Geisterlicht: Roman (German Edition)
Wieder kamen krampfartige Schluchzer aus Dawns Kehle. Die ganze schmale Person bebte.
»Es tut mir so leid«, flüsterte Fiona. »Ich habe mir wirklich Mühe gegeben. Aber du weißt ja selbst, dass ich in solchen Dingen nicht sonderlich geübt bin.«
Dawn hob den Kopf und sah Fiona an. In ihren geschwollenen Augen standen noch immer Tränen, dennoch blitzte plötzlich wieder Hoffnung darin. »Es liegt an dem Fluch! Wir müssen herausfinden, was man gegen diesen verdammten Fluch tun kann! Der Liebeszauber ist zu schwach, um gegen Catrionas Verwünschung anzukommen. Solange Aidan den Fluch mit sich herumschleppt, kann er wahrscheinlich literweise Damiana-Tee trinken und es wird nichts passieren.«
»Nein, das stimmt nicht!« Die Worte kamen über ihre Lippen, ohne dass Fiona etwas dagegen tun konnte. Zu deutlich hatte sie bei Dawns Worten die Szene in der Küche vor sich gesehen, als Aidan und sie jeder nur einen Schluck von dem Tee getrunken hatten und sich sofort in die Arme gefallen waren. Ohne einen einzigen Zauberspruch und ohne dass die Kräuter bei Vollmond gepflückt worden waren.
»Woher willst du das wissen?« Dawn wischte sich mit einem Taschentuch ziellos im Gesicht herum und starrte Fiona anschließend wütend an. »Eben hast du doch selbst gesagt, dass du nichts von diesen Dingen verstehst!«
»Stimmt! Ich verstehe nichts davon«, stimmte Fiona ihr hastig zu. »Ich dachte nur … Vielleicht wirkt der Liebeszauber nur zwischen bestimmten Menschen. Überleg doch mal, Dawn. Es wäre doch fatal, wenn nur durch ein paar Worte und eine Tasse Tee Menschen zusammenkämen, die gar nicht zueinanderpassen.«
Dawn stieß einen erstickten Schrei aus, sprang von ihrem Stuhl hoch und wich vor ihr zurück, als würde Fiona sie mit einer tödlichen Waffe bedrohen. »Wie kannst du so etwas sagen?!«, rief sie, und ihre Augen funkelten wütend. »Ich spüre doch, dass Aidan und ich füreinander bestimmt sind. Wenn es bei ihm und mir nicht funktioniert, funktioniert es bei niemandem!«
Dieses Mal hielt Fiona den Mund. Sie saß einfach nur da, schaute ihre Schwester an und fühlte sich schlecht.
»Und am Montag muss ich auch noch auf Klassenfahrt! Meine Kollegin ist krank geworden, und ich muss an ihrer Stelle ihre Klasse für zwei Tage auf einer Herbstwanderung durch die Highlands begleiten.« Mit energischen Schritten marschierte Dawn in der Küche auf und ab. Dabei hatte sie die Stirn in Falten gelegt, so angestrengt dachte sie nach. »Aber vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht. Wenn ich wiederkomme, hat Aidan bestimmt schon fast vergessen, dass ich mich ihm derart an den Hals geworfen habe.«
Bewundernd schaute Fiona ihre Schwester an. Eben noch hatte Dawn den Eindruck erweckt, sie würde ihr Leben lang unter der Peinlichkeit des heutigen Abends leiden. Nun redete sie schon wieder davon, dass in wenigen Tagen alles vergessen sein würde. Sie beneidete Dawn ein wenig um ihr unkompliziertes optimistisches Wesen.
»Während ich weg bin, musst du versuchen, alles über Catrionas Leben, ihren Tod und den Fluch herauszufinden«, beschwor Dawn sie.
»Aber wie soll ich denn …«, fing Fiona an, obwohl sie genau wusste, was nun kommen würde.
»In den Büchern von Sinclair Castle findest du bestimmt etwas, Fiona! Es hat mit …« Sie stockte, schlug sich die Hand vor den Mund und schaute sich in der Küche um, bevor sie mit gesenkter Stimme fortfuhr: » … mit ihm zu tun, du weißt schon, wen ich meine. Also muss noch mehr über die Geschichte in den Aufzeichnung zu finden sein. Du musst alle Einzelheiten herausfinden. Du musst einfach! Wegen Catriona, aber auch wegen mir. Ich halte diese Sehnsucht nach Aidan nicht mehr aus. Es wird jeden Tag schlimmer.«
»Gut«, hörte Fiona sich sagen. »Ich werde tun, was ich kann.«
Dabei war der Gedanke, sich vielleicht tagelang bei Aidan in der Burg aufzuhalten, ihr noch wesentlich unangenehmer als das Wissen, dass sie während Dawns Abwesenheit mehrere Nächte allein in einem Haus schlafen musste, in dem sich ein nicht zur Ruhe kommender Geist aufhielt. Zwar hatte sie immer noch großes Mitgefühl mit ihrer Vorfahrin, der so großes Leid zugestoßen war, nachdem sie allerdings Catrionas Auftritt miterlebt hatte, als sie Arthur MacNaughtons Namen ausgesprochen hatte, war sich Fiona nicht mehr sicher, dass der Geist vollkommen harmlos war. Möglicherweise war Catriona ihren Nachkommen nicht so freundlich gesonnen, wie Noreen und Dawn immer geglaubt hatten?
Andererseits
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