Geisterlicht: Roman (German Edition)
dem kleinen Kino im Nachbardorf gezeigt wurde, war schon gegen halb zehn zu Ende gewesen. Während der gesamten Vorführung war es Fiona nicht gelungen, herauszufinden, aus welchem Grund die finster dreinblickenden Männer auf der Leinwand sich nun eigentlich diese blutige Schießereien und endlose Verfolgungsjagden lieferten. Was zum Teil daran gelegen haben mochte, dass ihre Gedanken immer wieder zu dem kleinen Haus gewandert waren, wo Dawn und Aidan in der Zwischenzeit gemeinsam in der Küche saßen. Oder auf dem Sofa im Wohnzimmer. Vielleicht waren sie auch inzwischen miteinander im Bett gelandet?
Als sie nach dem Ende des Films und der Fahrt zurück nach Kelton die Geschwindigkeit des Citroens drosselte und schließlich vor der Gartenpforte hielt, machte der altersschwache Motor merkwürdige Geräusche. Aufatmend zog Fiona die Handbremse an, froh, dass Dawns eigensinniges Auto sie heil und unversehrt zurückgebracht hatte.
Aidans Wagen war nicht mehr da. Was angesichts des dunklen Hauses nur bedeuten konnte, dass er Dawn nach Sinclair Castle mitgenommen hatte. Offenbar war die Wirkung des Zaubers so stark gewesen, dass sie ihre erste gemeinsame Nacht dort verbringen wollten. Ungestört.
Fiona blieb noch eine Weile im Auto sitzen, hielt sich mit beiden Händen am Lenkrad fest und starrte in die Dunkelheit. Wünschte sie sich wirklich, dass der Liebeszauber gewirkt hatte? War es überhaupt gut, wenn zwei Menschen, die sich normalerweise nicht ineinander verliebt hätten, nur aufgrund eines Zaubers plötzlich Gefühle füreinander entwickelten? Bisher hatte Aidan auf Fiona nämlich nicht den Eindruck gemacht, als sei er sonderlich an ihrer Schwester interessiert. Stattdessen hatte er sie, Fiona, geküsst …
Hastig, als könnte sie auf diese Weise vor ihren Gedanken fliehen, stieg sie aus dem Wagen und ging in das leere Haus. Ob es wirklich so einfach war, einen Fluch zu beseitigen? Vielleicht fühlte Aidan sich ja durch das Aphrodisiakum nur körperlich von ihrer Schwester angezogen, und am Ende würde Dawn dennoch traurig und verletzt zurückbleiben.
Seufzend ging Fiona in die Küche, um noch etwas zu trinken, bevor sie sich schlafen legte. Sie schaltete die Deckenbeleuchtung ein und wich erschrocken in den Flur zurück, als sie die zusammengesunkene Gestalt am Tisch sitzen sah. Neben den Garderobenhaken stehend, presste sie die Hand auf ihr wild pochendes Herz und machte sich energisch klar, dass sie sich ihre Schreckhaftigkeit wirklich langsam mal abgewöhnen musste. Zumindest solange sie mit einem Geist unter einem Dach wohnte.
»Fiona?«
Die Stimme war ganz leise, und nachdem Fiona ein weiteres Mal zusammengefahren war, stürzte sie zurück in die Küche. »Du bist das, Dawn!«
Ihre Schwester hatte den Kopf von der Tischplatte gehoben und blinzelte mit vom Weinen verschwollenen Augen geblendet ins Lampenlicht.
»Was ist passiert?«
Im Grunde war die Frage überflüssig, und Fiona spürte, wie Erleichterung sie durchlief, weil der Liebeszauber anscheinend nicht funktioniert hatte. Man konnte eben doch nicht mit ein paar gemurmelten Worten und einem Kräutertee das Schicksal von zwei Menschen beeinflussen. Dann stellte sich sofort ihr schlechtes Gewissen ein. Gönnte sie Dawn ihr Glück etwa nicht, weil sie Aidan für sich selbst wollte?
Sanft legte sie ihrer Schwester einen Arm um die Schultern und strich ihr mit der freien Hand über den Kopf. Sofort begann Dawn heftig zu schluchzen.
»Es … es hat nicht funktioniert. Kein bisschen! Ich … habe mich vollkommen lächerlich gemacht.«
»Es ist nicht lächerlich, wenn man jemandem seine Liebe zeigt«, behauptete Fiona, obwohl es ihr selber auch unendlich peinlich gewesen wäre, einem Mann ihre Liebe zu gestehen, der ihr daraufhin mit einem bedauernden Lächeln erklärt hätte, seinerseits leider keine Gefühle für sie zu haben.
Dawn schien sich auch nicht sonderlich getröstet zu fühlen. Sie schluchzte nur noch heftiger. Fiona zog einen Stuhl heran, setzte sich neben ihre Schwester und wartete geduldig.
»Ich habe seine Hand genommen«, stieß Dawn schließlich hervor, als ihr Schluchzen langsam nachließ. »Und weil er nicht reagierte, habe ich mich an ihn gelehnt, als ich Suppe auf seinen Teller geschöpft habe. Nichts! Dabei hatte er drei Tassen Tee getrunken. Und ich dachte … es muss doch einfach funktionieren! Deshalb habe ich mich ihm in die Arme geworfen, als er gehen wollte. Ich habe ihn einfach geküsst. Es war so … so peinlich!«
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