Geisterlicht: Roman (German Edition)
Probleme.
»Viel wichtiger ist mir, dass Aidan kein Problem damit hat, wie ich bin und was ich bin«, erklärte Dawn in trotzigem Ton.
»Er weiß ja nichts darüber«, gab Fiona zu bedenken.
»Wenn er mich wirklich liebt, wird er schon akzeptieren, dass wir Abercrombie-Frauen ein bisschen anders sind als andere Frauen.«
»Aber verstehst du denn nicht? Wegen des Fluchs wird er dich nicht lieben. Er kann dich nicht lieben.« Am liebsten hätte Fiona über den Tisch gegriffen, Dawn bei den Schultern gepackt und geschüttelt, um sie aus ihren Träumen aufzurütteln.
Wie zu erwarten gewesen war, zeigte Dawn sich Fionas Vernunftgründen gegenüber nicht im Geringsten beeindruckt.
»Dann musst du ihn eben erst von dem Fluch befreien, bevor du den Liebeszauber durchführst!«, erklärte sie mit schönster Selbstverständlichkeit.
»Ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll und ob ich es überhaupt kann«, gab Fiona zu bedenken. »Außerdem müssen wir uns jetzt erst einmal um Catriona kümmern. Sie ist schrecklich traurig, sie ist in Not und kommt nicht zur Ruhe. Wir müssen ihr helfen!«
»Wir machen beides. Wir befreien Aidan von dem Fluch und Catriona von was auch immer sie quält. Lass uns nach Hause gehen und im Zauberbuch lesen.« Dawn stand auf und marschierte zur Theke, um zu bezahlen, ohne Fiona groß zu fragen, ob sie mit ihren Plänen einverstanden war.
Langsam erhob sich auch Fiona von ihrem Stuhl. Im Grunde hatte Dawn Recht. Sie mussten nicht nur Catriona erlösen, sondern auch Aidan. Er sollte glücklich werden – mit ihrer Schwester. Und eines Tages würde sie bei diesem Gedanken auch nicht mehr das Gefühl haben, jemand risse ihr das Herz aus der Brust.
»Vielleicht muss Aidan auch einfach nur die wahre Liebe finden, und dann ist er automatisch von dem Fluch befreit?«, überlegte Dawn laut. »Man hört doch immer wieder, dass Liebe die stärkste Macht ist, die es gibt.«
Sie stand neben Fiona am Herd und wartete ungeduldig, dass das Wasser kochte. Endlich war es ihr gelungen, ihre Schwester zu überzeugen, es mit dem Liebeszauber zu probieren. Sie hatten kein Mittel gegen den Fluch gefunden, und Fiona hatte immer wieder erklärt, sie sei absolut nicht von ihren Fähigkeiten als Hexe überzeugt. Dabei ging es doch einfach nur darum, der Liebe eine Chance zu geben.
Als Fiona dann endlich einverstanden gewesen war, hatte es sich als äußerst schwierig erwiesen, Aidan zum Abendessen einzuladen. Er hatte von seinem Abgabetermin gesprochen und davon, wie sehr der Verlag ihm im Nacken saß. Aber Dawn hatte ihm klargemacht, dass auch er mal essen musste und ab und zu Gesellschaft brauchte. Schließlich hatte er zugesagt, und nun waren es nur noch wenige Minuten bis zu seinem Eintreffen. Beim Gedanken an das, was vielleicht an diesem Abend noch geschehen würde, hatte Dawn das Gefühl, vor Aufregung würde ihr gleich das Herz aus der Brust springen.
Als der Kessel pfiff, zuckte sie zusammen. Fiona nahm Aidans Kugelschreiber in die Hand, murmelte die Formel des Liebeszaubers und goss das kochende Wasser auf die Teeblätter, die sie in der vergangenen Nacht bei Mondlicht gepflückt hatte.
»Und du gehst auch sofort, wenn er gekommen ist?«, vergewisserte Dawn sich. Natürlich musste sie mit Aidan allein sein, wenn er dann hoffentlich aufgrund des Zaubers von seinen Gefühlen überwältigt wurde. Und obwohl sie sich so sehr danach sehnte, endlich in seine Arme zu sinken und ihn zu spüren, war sie so aufgeregt, dass sie gleichzeitig fast Angst vor diesem magischen Moment hatte.
Fiona beugte sich über die Teekanne und atmete mit geschlossenen Augen den aromatischen Duft ein, der daraus emporstieg. Einen Augenblick verharrte sie so, dann erst wandte sie Dawn ihr Gesicht zu. Es war seltsam blass und wie erstarrt.
»Ich gehe, sobald er kommt«, sagte sie leise. »Mein Job ist getan, sobald der Tee fertig ist. Zündest du das Stövchen an, damit er warm bleibt?«
Eifrig suchte Dawn nach den Streichhölzern, während Fiona immer noch neben dem Herd stand und ihre Hände an der Teekanne wärmte. Als es an der Haustür klopfte, zuckte sie noch heftiger zusammen als Dawn selbst. »Ich mache ihm auf«, murmelte Fiona und eilte zur Tür.
Dawn musste sich gegen die Tischkante lehnen, weil ihre Knie so sehr zitterten, dass sie einen Halt brauchte. Aus dem Flur hörte sie Fionas gedämpfte Stimme. Aidan antwortete, und Dawns Herz flatterte wie wild in ihrer Brust, so als wolle es ihm entgegenfliegen. Dann
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