Geisterlicht: Roman (German Edition)
laufen nicht weg.«
Da hatte sie den rettenden Einfall. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, gab sie unumwunden zu. »In der vergangenen Nacht hatte ich einen sehr beunruhigenden Traum. Es ging um … um eine fremde Frau, die durch die Burg schlich und dich bedrohte. Deshalb dachte ich, es ist besser, wenn ich nachschaue, ob es dir gutgeht.« Sie atmete tief durch.
»Eine fremde Frau, die mich bedroht?« Aidan wirkte amüsiert.
»Glaubst du etwa, eine Frau kann dir nicht gefährlich werden?« Fiona warf den Kopf in den Nacken und sah ihn herausfordernd an.
»Oh doch, das glaube ich durchaus.« Sein Grinsen wurde noch breiter. »Aber nicht unbedingt auf eine Art, die es nötig macht, dass du auf mich aufpasst.«
Sie spürte, wie sie schon wieder errötete. »Eine Frau könnte dich genauso wie ein Mann verletzen oder sogar töten«, rechtfertigte sie sich. »Mit einem Messer oder einer Pistole zum Beispiel. Sie könnte dich im Schlaf überwältigen und dich erdrosseln.«
»Was hat denn die Frau in deinem Traum getan?« Während er auf ihre Antwort wartete, schaute er ihr aufmerksam ins Gesicht.
»So genau kann ich mich nicht erinnern«, behauptete sie.
»Jedenfalls ist es nett, dass du gekommen bist«, stellte Aidan fest und klang kein bisschen spöttisch. Dennoch argwöhnte sie, der Teil des Satzes, den er höflicherweise nicht aussprach, lautete: »Aber da mir offensichtlich keine Gefahr droht, kannst du jetzt ja wieder gehen.«
»Dann gehe ich jetzt am besten nach oben ins Turmzimmer«, sagte sie hastig. Wenn Aidan sich wieder schlafen legte, konnte sie die Burg nach Catriona durchsuchen. Falls es überhaupt möglich war, einen Geist zu finden, der nach Belieben auftauchen und wieder verschwinden konnte.
»Sei mir nicht böse, wenn ich dich nicht begleite, ja? Du kennst den Weg, und ich muss dringend noch ein wenig schlafen.«
Aidan lächelte sie auf eine Weise an, die sie in Versuchung brachte, ihn doch lieber in sein Schlafzimmer zu begleiten. Nur für den Fall, dass Catriona gerade dort war…
Fiona atmete tief durch. Irgendwie musste sie ihre wirren Gefühlen unter Kontrolle bringen. Angst, Sehnsucht und Begehren durchströmten ihren Körper in heißen Wellen. Sie wich Aidans Blick aus und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, damit sie ihn nicht versehentlich berührte.
»Falls du etwas essen möchtest, Fiona: Die Küche ist gleich neben dem Kaminzimmer, wo wir neulich gesessen haben. Im Kühlschrank sind Eier, Schinken, Obst und Saft.«
»Vielen Dank, aber momentan habe ich keinen Hunger.« Die Aufregung begann ihr auf den Magen zu schlagen. Sie versuchte, die bedrohliche Vorstellung zu verdrängen, dass Aidan arglos schlafend in seinem Bett liegen würde, während Catriona mit zornig funkelndem Blick in der Burg unterwegs war.
Sie gingen gemeinsam in den ersten Stock hinauf. Dort verschwand Aidan in einem langen Korridor, in dem offenbar irgendwo sein Schlafzimmer lag, und Fiona stieg die Wendeltreppe des rechten Turms hinauf. Es gab in dem schmalen Aufgang nur wenige kleine Fenster, die früher wahrscheinlich als Schießscharten gedient hatten. Da sie nicht wusste, wo sich der Lichtschalter befand, tastete sie sich im Dämmerlicht die Stufen hinauf. Je höher sie kam, umso weniger Fenster gab es. Schließlich sah sie sich fast vollkommener Dunkelheit gegenüber. Fiona blieb stehen und atmete tief durch. Bewegte sich dort im Finstern etwas?
»Catriona?«, flüsterte sie.
Keine Antwort.
»Catriona«, wiederholte sie, dieses Mal ein wenig lauter.
Wieder kam keine Reaktion.
Entschlossen stieg Fiona weiter die Treppe hinauf, wobei sie sich mit der linken Hand am Geländer festhielt und die Rechte tastend vorstreckte. Dabei fürchtete sie, jeden Augenblick mit ihren Fingerspitzen das abgetragene Gewand des Geistes vor sich zu sehen. Zwar sagte sie sich immer wieder, dass sie keine Angst vor ihrer Ahnfrau zu haben brauchte, aber so recht konnte sie sich selbst nicht glauben.
Mit angehaltenem Atem überwand sie eine Stufe nach der anderen. Nun hatte sie fast schon das nächste schwache Licht erreicht, wo sich wohl wieder eines der winzigen Fenster befand. Eilig stieg sie die wenigen Stufen hinauf, die sie noch von diesem Punkt trennten, und trat aufatmend ins Licht. Von hier aus konnte sie schon die Tür zum Turmzimmer sehen.
Erleichtert nahm Fiona nun zwei Stufen auf einmal – und wäre fast rückwärts die Treppe hinuntergefallen, als plötzlich direkt vor ihr Catrionas schmale
Weitere Kostenlose Bücher