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Geisterlicht: Roman (German Edition)

Geisterlicht: Roman (German Edition)

Titel: Geisterlicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Winter
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graue Gestalt aufragte. Obwohl ihre Ahnfrau eigentlich sehr zierlich war, wirkte sie riesig, wie sie dort zwei Stufen über ihr stand.
    Fiona klammerte sich mit der linken Hand am Treppengeländer fest und presste die Rechte auf ihr wild pochendes Herz, während sie die graue Gestalt mit festem Blick ansah. »Du hast mich erschreckt!«, stieß sie vorwurfsvoll hervor.
    Catriona schwieg. Sie stand bewegungslos da, das verschwommene weiße Oval ihres Gesichts Fiona zugewandt.
    Fiona atmete tief ein und ebenso tief wieder aus. Sie würde sich keine Angst machen lassen, zumal sie spürte, dass die junge Frau unendlich traurig war und stumm um Hilfe flehte. An die seltsame Geste, die Catriona vor wenigen Minuten hinter Aidans Rücken vollführt hatte, wollte sie lieber nicht denken.
    Eine kleine Ewigkeit standen Fiona und der Geist da, sahen einander an und rührten sich beide nicht von der Stelle. Schließlich stellte Fiona einen Fuß auf die nächsthöhere Stufe und streckte vorsichtig die Hand aus, bis ihre Fingerspitzen nur noch Millimeter von dem grauen zerfetzten Rock entfernt waren. Sie wagte allerdings nicht, ihn zu berühren.
    »Lässt du mich bitte durch?«, fragte sie leise. »Ich möchte oben in den Büchern nach einem Weg suchen, wie wir dir helfen können. Dazu muss ich wissen, was damals zwischen dir und Arthur passiert ist.«
    Als sie Arthurs Namen aussprach, legte Catriona wieder den Kopf in den Nacken und stieß einen Schrei aus, der von den engen Wänden des Turms schaurig widerhallte.
    Fiona fuhr zusammen und erstarrte. Sie hatte nicht daran gedacht, dass sie diesen Namen nicht nennen durfte. In dem Bemühen, ihre Ahnfrau zu besänftigen, hob sie die Hand.
    »Fiona?«, hörte sie kurz darauf Aidans Stimme vom Fuß der Treppe. Offenbar hatte er den Schrei in seinem Schlafzimmer gehört und dachte nun natürlich, sie hätte geschrien.
    »Es ist alles in Ordnung, Aidan«, rief sie nach unten, ohne Catriona aus den Augen zu lassen. »Tut mir leid, dass ich dich gestört habe.«
    »Was ist denn passiert? Bist du gestürzt?«
    Sie meinte, Aidans Schritte auf der Treppe zu hören. Offenbar war er auf dem Weg nach oben, um nach dem Rechten zu sehen. Gleichzeitig flammten ein paar Lampen auf, und in der hellen Beleuchtung wurde Catrionas Körper noch durchscheinender.
    »Mir ist nichts passiert. Wirklich gar nichts«, beteuerte Fiona. »Ich habe mich nur erschrocken, aber hier ist … nichts.«
    Was würde Aidan sagen, wenn er dieses »Nichts« sah? Konnte er Catriona überhaupt sehen? Während sie hörte, wie er sich näherte, machte sie dem Geist verzweifelte Zeichen, zu verschwinden. Einerseits wünschte sie sich, mit Aidan offen und ehrlich über ihre Urahnin und die historische Verbindung zwischen ihren beiden Familien sprechen zu können, andererseits konnte sie ihn wohl kaum ohne jede Vorbereitung mit ihrer geisterhaften Ahnfrau konfrontieren.
    Catriona dachte jedenfalls nicht daran, Fiona den Gefallen zu tun, zu verschwinden. Bewegungslos stand sie da und schaute die Treppe hinunter. Auch Fiona wandte sich um, denn die Schritte waren schon ganz nah. Da tauchte Aidan auch schon um die Biegung der Treppe auf.
    Verzweifelt versuchte Fiona, sich möglichst groß und breit zu machen, so dass er Catriona vielleicht nicht bemerkte. Da der Geist jedoch zwei Stufen über ihr stand, war das ein aussichtsloses Unterfangen. Sie presste die Lippen aufeinander und wartete auf Aidans entsetzte Frage, wer »das da« sei.
    Er schaute jedoch nur sie an. »Ist dir wirklich nichts passiert? Du siehst blass aus.«
    Heftig bewegte sie den Kopf hin und her. »Alles in Ordnung«, flüsterte sie und fand selber, dass sie nicht sehr überzeugend klang.
    »Was hat dich denn so erschreckt?« Prüfend ließ er seinen Blick an den Wänden entlangwandern. Offensichtlich konnte er Catriona nicht sehen.
    Erleichtert atmete sie auf. Als Antwort auf seine Frage zuckte sie jedoch nur mit den Schultern. »Nichts. Ich dachte nur, da wäre etwas.«
    »Warum tappst du denn auch ohne Licht die Treppe hoch? Hier ist es auch tagsüber dunkel.«
    Sie lächelte. »Das weiß ich jetzt auch. Aber unterwegs habe ich keinen Lichtschalter gefunden. Nächstes Mal schalte ich das Licht ein, bevor ich den Aufstieg beginne.«
    »Guter Plan!«, lobte er sie. »Gehen wir dann nach oben? Ich habe festgestellt, dass ich nicht schlafen kann. Also kann ich ebenso gut weiterarbeiten.«
    Jetzt fiel Fiona auf, dass Aidan inzwischen Jeans und Pullover trug.

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