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Geisterlicht: Roman (German Edition)

Geisterlicht: Roman (German Edition)

Titel: Geisterlicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elaine Winter
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Wenigstens war er durch Catrionas Schrei nicht aufgewacht, sondern offenbar bereits auf dem Weg zum Turm gewesen. Nun deutete er auffordernd auf die Tür zu seinem Arbeitszimmer, die wenige Stufen hinter Catrionas Rücken lag. Die durchscheinende Gestalt aber stand immer noch bewegungslos mitten auf der Treppe und schien nicht die Absicht zu haben, den Weg freizugeben. Unauffällig wedelte Fiona vor ihrem Körper mit den Händen, als wollte sie ein Huhn wegscheuchen, aber der Geist rührte sich nicht von der Stelle.
    Aidan setzte sich in Bewegung und erwartete natürlich von ihr, dass sie ebenfalls weiterging. Wie sollte sie ihm erklären, warum sie hier im Weg herumstand?
    Zögernd trat sie auf die nächste Stufe. Jetzt stieß ihr Gesicht schon fast an Catrionas, doch die Geisterfrau rührte sich einfach nicht.
    Fiona spürte, dass Aidan direkt hinter ihr war. Ihr würde nichts anderes übrigbleiben, als Catriona wegzuschieben. Sie streckte die Hände vor – und griff ins Nichts. Anders als bei ihrer ersten Begegnung mit Catriona im Garten, als sie sie für Dawn gehalten hatte, spürte Fiona nur Feuchtigkeit und Kühle, als würde sie die Hände in dichten Nebel stecken. Sie atmete tief ein und ging einfach weiter, durch Catriona hindurch. Jetzt erinnerte sie sich, dass sie das schon einmal getan hatte, wenn auch nicht absichtlich. Doch als sie auf die Stufe trat, auf der Catrionas Geist stand, war es nicht so, wie sie es erwartet hatte. Jetzt war es nicht so, als würde sie durch Nebel gehen.
    Fiona fühlte einen Aufprall und anschließend einen Ruck, nicht heftig, aber deutlich. Dann war das kühle Nebelgefühl plötzlich in ihr. Nur mühsam unterdrückte sie einen Aufschrei, als ihr klarwurde, was geschehen war. Sie war nicht etwa durch Catriona hindurchgegangen, sondern hatte sie in sich aufgenommen. Oder einen Teil von ihr. Jedenfalls war da etwas in ihr, was vorher nicht dagewesen war. Fremdes Fühlen. Eine andere Art, ihre Umgebung zu sehen. Obwohl die Treppe jetzt beleuchtet war, erschien ihr alles um sich herum trüb und grau.
    Ich bin von einem Geist besessen, von Catrionas Geist, fuhr es Fiona durch den Kopf. Doch seltsamerweise spürte sie weder Angst noch Verzweiflung. Es war geschehen, und vorerst konnte sie nicht dagegen tun.
    Sie hob den Fuß, trat auf die nächste Stufe und ging einfach weiter, so wie Catriona es wollte.

Zwölftes Kapitel
    »Hast du beim letzten Mal etwas Interessantes über eure Familie herausgefunden?«
    Aidan, der direkt hinter Fiona durch die Tür des Turmzimmers getreten war, schaute hinüber zu den überfüllten Bücherregalen.
    Fiona wagte nicht, mit ihm zu reden. Ihre Stimme würde doch sicher fremd klingen, denn Aidan würde sie und Catriona hören. Hastig wich sie seinem Blick aus, schüttelte den Kopf und wandte sich der umfassenden Bibliothek zu. Hinter sich hörte sie, wie er den Stuhl unter seinem Schreibtisch hervorzog und sich setzte. Dann tippte er auf der Tastatur seines Computers herum. Er war froh, dass sie nicht auf sein höfliches Geplauder einging. Denn auf einmal war sich Fiona ganz sicher, dass er sie hassen musste, so wie sein Vorfahre Arthur damals Catriona gehasst hatte.
    Fiona erstarrte und blieb mitten in Raum stehen. Was war ihr da gerade durch den Kopf geschossen? Warum sollte Aidan sie hassen? Und woher wusste sie auf einmal, dass Arthur vor so langer Zeit die junge, schöne Catriona bis aufs Blut verabscheut hatte? Der Gedanke war einfach dagewesen. Es war Catrionas Gedanke. Catriona dachte in ihrem Kopf – und es erschreckte sie nicht einmal. Fiona ließ geschehen, was geschehen musste.
    Ohne ihr Zutun setzte ihr Körper sich wieder in Bewegung, ging langsam und ein wenig ungelenk auf die Bücherwand im Hintergrund des Zimmers zu und steuerte auf den äußersten linken Rand des Regals zu, wo neben den Büchern auch einige verstaubte Schachteln standen. Einige von ihnen hatten Deckel, andere nicht. Fiona bückte sich nach einer geschlossenen Box aus Holz. Ganz von selbst streckte sich ihre Hand vor, klappte den Deckel hoch und schob sich in die kleine Kiste. Im nächsten Augenblick hielt sie ein ledergebundenes Büchlein in der Hand. Sie hatte danach gegriffen, ohne zu wissen, dass es da war. Catriona hatte es genommen. In dem Holzkasten lag obenauf ein Stapel Papiere, doch ihre Hand war unter die losen Blätter geglitten und hatte ein dunkelbraunes Notizbuch hervorgezogen.
    Verblüfft starrte Fiona das Büchlein an. Es musste schon sehr alt

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