Geisterlicht: Roman (German Edition)
dass man beim Erwachen durch das gegenüberliegende Fenster diesen herrlichen Blick genoss.
Einige Sekunden lag sie ganz still da und freute sich über die ersten herbstlichen Farben, das letzte saftige Grün des Sommers, das blaue Wasser des Sees und das goldene Licht der Sonne. Dann spürte sie neben sich eine Bewegung. Aidan! Sein Atem streifte ihre nackte Schulter, als er sich im Schlaf umdrehte. Obwohl er sie nicht berührte, spürte sie die Wärme seines Körpers.
Sofort waren die Bilder der Nacht wieder da. Sein Körper mit den breiten Schultern, der sich über sie beugte. Seine Augen, die sie mit Blicken liebkosten. Seine Hände, seine Lippen, die unglaubliche, erregende Dinge mit ihr taten …
Doch nun war die Nacht vorbei. Die Sonne war aufgegangen, und Fiona musste dem ins Auge sehen, was sie getan hatte. Sie war ihrer Sehnsucht gefolgt. Mit klarem Verstand und weit geöffnetem Herzen, denn sie hatte gewusst, dass es nur diese eine Nacht für sie geben durfte, die sie mit all ihren Sinnen genießen wollte, um sich die Erinnerung daran für immer zu bewahren.
Vorsichtig wandte sie den Kopf und betrachtete den schlafenden Aidan. Seine dunklen Wimpern lagen wie Zwillingshalbmonde auf seinen Wangen, um seine Lippen spielte ein entspanntes Lächeln, seine Haare waren zerzaust wie die eines kleinen Jungen nach einem wilden Spiel. Fionas Fingerspitzen zuckten, so sehr sehnte sie sich danach, ihm die Haare aus der Stirn zu streichen, doch sie verbot sich, ihn noch einmal anzufassen. Das würde alles nur noch schwieriger machen. Sie musste gehen. Heute kam Dawn von der Klassenfahrt nach Hause.
Die Bettwäsche raschelte leise, als sie die Decke zur Seite schob, sich aufrichtete und die Füße auf den Boden stellte.
Aidan rührte sich nicht. Er atmete tief und gleichmäßig, während Fiona auf Zehenspitzen durchs Zimmer schlich und ihre Sachen einsammelte. Sie würde sich im Bad anziehen und so schnell wie möglich Sinclair Castle verlassen.
»Fiona?«
Als sie hinter sich seine Stimme hörte, fuhr sie wie ertappt herum und presste dabei ihr Kleiderbündel an ihren nackten Körper. »Ich muss gehen«, murmelte sie und schaute am Bett vorbei zum Fenster hinaus.
»Ohne Frühstück?« Er richtete sich auf und strich sich die wirren Haare aus der Stirn.
»Ich habe keinen Hunger. Wirklich nicht!«, beteuerte sie.
Wortlos stieg er aus dem Bett und schlüpfte in seine Jeans, ohne sich damit aufzuhalten, nach der Unterhose zu suchen.
»Du musst mich nicht zur Tür bringen, ich finde allein hinaus.« Sie hörte selbst, wie flehend ihre Stimme klang. Lass mich einfach gehen. Die Nacht ist vorbei. Alles ist vorbei.
Mit wenigen Schritten war er bei ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern und küsste sie auf den Mund. Nicht so leidenschaftlich wie in der vergangenen Nacht, aber warm und liebevoll. Viel zu liebevoll. Ihre Kleider rutschten ihr aus den Armen, und sie stand splitterfasernackt mit hängenden Armen da, unfähig, sich endlich umzudrehen und zu gehen. Der letzte Kuss. Das war unser letzter Kuss. Wieder und wieder musste sie diese Worte denken.
»Wann sehen wir uns wieder?« Forschend schaute Aidan ihr ins Gesicht. »Denn das tun wir doch, oder?«
Fiona zuckte mit den Schultern, auf denen immer noch warm und schwer seine Hände lagen. »Du bist mit Dawn befreundet. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass wir uns wiedersehen.«
Es dauerte einen Moment, bis die Erkenntnis in seinen Augen ankam. Dann wandte er den Blick ab. Seine Finger glitten an ihren Oberarmen hinab und waren dann fort. Die letzte Berührung. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie konnte nur mühsam atmen, aber sie durfte sich nichts anmerken lassen. »Es tut mir leid«, flüsterte sie, obwohl sie vorgehabt hatte, sich den Anschein kühler Gleichgültigkeit zu geben. Das würde ihm und ihr die Sache leichter machen. Obwohl es eigentlich nicht nötig war, ihm zu helfen. Denn er konnte nicht lieben, würde es vielleicht niemals können. Was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen geschehen war, war von seiner Seite sexuelle Anziehung und flüchtige Verliebtheit gewesen. Schon morgen würde er sie vergessen haben. Es war nicht nötig, ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben.
»Ich… habe noch nie eine Beziehung hinbekommen. Vier Wochen war die längste Zeit, die ich mit einem Mann zusammen war«, sagte Fiona mit einer Stimme, die so klar und ruhig war, dass sie sich über sie selbst wunderte.
Dann bückte sie sich, raffte ihre
Weitere Kostenlose Bücher