Geisterstadt
früher oder später sowieso tun. Gottverdammte Arschlöcher.
Apropos Arschlöcher ... Lauren stand vor dem gewaltigen Eingangstor der Kirche und scharrte bereits mit den Hufen. Chess warf einen Blick auf die Digitaluhr, die sich hinter einer dicken Staubschicht auf ihrem Armaturenbrett verbarg. Fünf Minuten vor sechs. Sie kam sogar zu früh. Also warum stellte sich Lauren so an?
Anscheinend stellte sie sich einfach so an, bloß weil Chess existierte. Seufzend stieg sie aus dem Wagen und schlurfte zu ihrer Kollegin rüber. Auf dem Weg verabschiedete sie sich endgültig von dem vagen Plan, Lauren von dem versuchten Taschendiebstahl zu erzählen und die Verbindung zu Maguinness als einem möglichen Angehörigen des Lamara-Umfelds zu ziehen. Lauren würde ihr sowieso nicht zuhören, nicht, solange Chess nicht mehr vorzuweisen hatte als eine belauschte Unterhaltung, von der sie nicht sprechen durfte, und ein versuchtes Verbrechen, wie es jeden Tag Dutzende Male vorkam.
»Ich bin nicht zu spät. Es ist erst fünf vor.«
Lauren verzog das Gesicht. »Hab ich denn gesagt, du wärst zu spät?«
»Nein, aber du siehst sauer aus.«
»Es geht nicht immer nur um dich, Cesaria.«
Chess ging so ausführlich auf diesen Kommentar ein, wie er es verdiente - nämlich gar nicht -, und redete weiter. »Ich habe mir die Akte noch mal angesehen. Ich dachte, wir könnten uns vielleicht mal nach der Technik umschauen, die man braucht, um Embryonen auszubrüten oder sie zu implantieren oder so. Es muss doch einen Schwarzmarkt für solches Zeug geben, vielleicht weiß das Squad da mehr.«
Lauren dachte darüber nach. »Ich glaube, wenn wir da was wüssten, hätten wir die Leute sicher schon hochgenommen, aber es ist einen Versuch wert, schätze ich. Warte, ich ruf mal schnell... Scheiße!«
Chess streckte die Hand nach ihr aus und fragte sich, was denn jetzt schon wieder los war, aber Laurens Blick klebte auf einem Punkt hinter ihrem Rücken. Chess drehte sich um und bekam gerade noch aus den Augenwinkeln mit, wie Lauren leichenblass wurde, bevor ihr selbst sämtliches Blut aus dem Gesicht schoss.
Erik Vanhelm stand nicht mal zehn Meter entfernt auf dem Rasen.
Einen Herzschlag lang starrte er sie an. Sie starrten zurück. Jedes Detail brannte sich Chess ein, wie das bläuliche Licht der Dämmerung sein Haar dunkler färbte, das Beben seiner Nasenflügel, die schwache, verwischte Bewegung der Zweige in einem Baum hinter ihm.
Dann stürzte er zum Parkplatz.
»Der Wagen«, sagte Chess und war schon auf dem Weg zu Laurens Penisersatz. »Schnell, er ...«
»Nein, er läuft vermutlich ganz woandershin ...«
»Er will zu seinem Auto, ist doch klar!« Chess packte den Türgriff und riss daran. Abgeschlossen. Ihr Herzschlag pulsierte unter der dünnen, verzierten Haut an ihren Handgelenken. »Los doch, sonst ist er weg!«
»Ich glaube, er ist immer noch hier!«
»Ja, aber nicht mehr la...«
»Nein, wir müssen ihm zu Fuß hinterher.«
»Wohin denn? Er hat ein Auto, geht gar nicht anders, und ...«
Eine Tür wurde zugeschlagen. Ein Motor sprang an.
Chess blieb nicht mal mehr genug Zeit um zu sagen: »Ich hab’s ja gleich gewusst«; wenn es drauf ankam, kriegte Lauren dann doch mal ihren verwöhnten, reichen Arsch hoch, das musste man ihr lassen. Sie saßen beide im Auto, und der mächtige Motor heulte auf, noch bevor der schwarze Sedan mit Vanhelm am Steuer an ihnen vorbeibrauste.
Sie jagten direkt hinter ihm vom Parkplatz und rasten über zwei rote Ampeln. »Er will auf den Highway«, sagte Lauren und knallte die Hand auf die Hupe, als sie einen verschlafenen Fußgänger hinter sich ließen.
»Jupp.« Chess hatte das Gefühl, dass sie wusste, wo er hinwollte. Nach Downside, wohin denn sonst? Dort konnte er in der Menge untertauchen oder in einer Seitengasse mit einem versteckten Hintereingang verschwinden oder was auch immer.
Die Möglichkeit war besonders verlockend, wenn er ein Handy dabeihatte. Das bedeutete nämlich, dass er eine fröhliche kleine Lamaru-Willkommensparty arrangieren konnte, die sie genau dort erwartete, wo er mit seinem Straßenkreuzer schließlich vor Anker gehen würde.
Aus Downside kam sie doch gerade, verdammt! Da hätte sie auch gleich zu Hause bleiben können.
Sie teilte Lauren ihre Überlegungen mit - bis auf den Teil mit dem Zu-Hause-Bleiben -, und die nickte. »Hast du irgendwas Nützliches dabei?«
»Ahm, ja, tatsächlich, ich habe etwas Alraune dabei und ein paar Schlangenteile und dann noch
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