Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
kühl.
Mrs. Danvers wich irritiert zurück. Ihre Augen weiteten sich. Sie vergaß das Atmen und machte nur den Mund mehrmals auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich hatte sie aus der Fassung gebracht.
Sie deutete immerhin ein Kopfschütteln an. Die Sprache hatte es ihr dennoch verschlagen.
»Guten Tag, Mrs. Danvers«, sagte ich und verließ still den Drug Store.
Jack träumt vom Fliegen
1
Als ich überzeugt war, genug Sicherheitsabstand zwischen mich und dem wütenden Walross gebracht zu haben, lehnte ich mich an einen Baum und kämpfte gegen die Übelkeit.
Nein! Ich will es nicht glauben!
Mein Handy klingelte. Ich holte es aus der Innentasche meiner Jacke und schaute aufs Display. Es war Peter.
»Jack, ich bin es. Du, ich habe etwas ganz Furchtbares gehört. Ich weiß, warum Beaver's Books schon seit einigen Tagen geschlossen ist.«
»Ich habe es eben von Mrs. Danvers erfahren«, sagte ich.
»Tut mir Leid, dass ausgerechnet sie es dir sagen musste. Ich habe eben vor ein paar Minuten mit meinem Nachbarn gesprochen. Ich kann es gar nicht glauben.«
Ich auch nicht. Aber ich brauche keine Beweise, dass es wahr ist. Ich fühle es.
»Es ist aber wahr«, sagte ich.
»Jack? Geht es dir gut? Soll ich mal kurz bei dir vorbeikommen.«
»Nein, Peter. Danke für dein Angebot, aber ich will heute allein bleiben. Du verstehst das sicher.«
»Ja, natürlich.«
»Wir können uns ja morgen wieder bei mir treffen und in Ruhe reden. Ich brauche heute den Tag für mich, um das alles sacken zu lassen.«
»Gut. Ich ruf dich an. Übrigens, weißt du, wo Beverly steckt? Ich habe es bei ihr zu Hause versucht und auf ihrem Handy, aber sie geht nicht ran.«
»Beverly musste kurzfristig nach Bosten. Ihr Vater ist sehr krank, und sie macht sich große Sorgen.«
»Scheiße. Die schlechten Nachrichten reißen ja gar nicht ab.«
»Sie wollte sich bei mir melden, wenn sie angekommen ist.«
»In Ordnung. Mach's gut. Das wird schon wieder. Und du weißt ja, dass du mich jederzeit anrufen kannst.«
»Danke, Peter. Bis morgen.«
2
Ich machte einen langen Spaziergang. Ich ging bis zu der Felsterrasse außerhalb von Lost Haven, auf der immer noch die Ruinen von Ernest Hawl's Hütte standen.
Lange schaute ich aufs Meer. Es gelang mir trotz größter Anstrengung nicht, einen klaren Gedanken zu fassen. Ebenso konnte ich nicht trauern. Ich war vollständig blockiert. Der einzige Gedanke, der wie eine Endlosschleife in meinem Kopf kreiste, war, dass Melissas Tod und der Poltergeist, der in meinem Haus sein Unwesen trieb, auf eine Art und Weise miteinander in Verbindung standen, die ich mir nicht erklären konnte und auch bis jetzt nicht erklären kann.
Und auch meine Gewissheit, dass zwei Geister in meinem Schlafzimmer waren, genau in der Nacht, in der Melissa sich das Leben genommen haben soll, machte mir Angst.
Was würde als Nächstes geschehen? War es jetzt vorbei? Oder fing es gerade erst an?
Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden: In mein Haus zurückzukehren und auf die Dunkelheit zu warten. Die Antwort war dort. Ich musste sie nur verstehen, das war das Problem.
Der Tag war schon weit fortgeschritten. Also ging ich langsam nach Hause. Keine Sekunde dachte ich an die Todesangst, die ich dort verspürt hatte, als der Geist mein Schlafzimmer stürmen wollte. Es war mir völlig egal.
Das, was sich in meinem Haus abgespielt hatte, war viel bedeutsamer, als ich ahnte. Es betraf mich. Es war nicht nur ein harmloser Hausgeist, der sich bei mir austoben wollte.
Hatte ich nicht das Gefühl, dass alles so wie immer war und doch war es irgendwie anders? Es fühlte sich nicht richtig an. Irgendetwas war falsch, obgleich sich doch nichts verändert hatte. Melissa hatte es auch gesehen. Und dann starb sie.
Hatte ich die Dinge irgendwie heraufbeschworen? War ich verantwortlich, nur weil ich glaubte, eine Art Vorahnung zu haben, was Melissa angeht?
Nein. Ich war nicht verantwortlich. Das sagte mir mein Verstand.
Und dennoch fühlte ich mich schuldig.
Deshalb entschloss ich mich, alles zu tun, um diesem Mysterium auf die Spur zu kommen.
3
Am frühen Abend rief mich Beverly endlich auf dem Handy an. Sie hatte ihren Vater bereits besucht und klang nicht mehr so bestürzt wie noch am Morgen. Ihrem alten Herren ging es zwar noch sehr schlecht, aber der behandelnde Arzt hatte ihr ein wenig Anlass zur Hoffnung gegeben, dass er wieder ganz gesund werden könnte. Über den sprichwörtlichen Berg
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