Geködert
ich nicht, weshalb ich mich entschloss, ausgerechnet in der Abflughalle mit der Wahrheit herauszurücken. Gloria war bitter enttäuscht, als sie erfuhr, dass es sich bei der bevorstehenden Reise nicht – wie ich sie hatte glauben lassen – um ein »heißes Liebeswochenende«
handelte. Sie beschimpfte mich, und zwar so laut, dass die
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Leute, die neben uns saßen, ihre Kinder außer Hörweite brachten.
In solchen Augenblicken versuchte ich stets, das Wesen meines Verhältnisses zu Gloria zu ergründen. Meine Altersgenossen, verheiratete Männer in den Vierzigern, hielten mit ihren Analysen meiner Romanze mit dieser
zweiundzwanzigjährigen Schönheit nicht hinter dem Berg.
Manchmal in Form von ernsthaften »Gesprächen«, manchmal mit Anekdoten über irgendwelche angeblichen Freunde, manchmal nur mit schmutzigen Witzen. Merkwürdigerweise fand ich die neidvollen Bemerkungen am beleidigendsten. Ich wünschte, die Leute würden versuchen zu verstehen, dass solche Beziehungen komplex sind, und dass meine zu Gloria noch komplexer war als die meisten anderen.
Jetzt im Flugzeug, wo ich nichts zu arbeiten und außer dem Flight Magazine nichts zu lesen hatte, dachte ich angestrengt darüber nach. Ich versuchte, diese Beziehung zu Gloria mit der zu vergleichen, die ich mit Fiona hatte, meiner Frau, die bald vierzig werden würde. Sie hatte immer gesagt, dass sie sich vor ihrem vierzigsten Geburtstag fürchtete. Diese »Furcht« war anfangs ein Spaß gewesen, und ich hatte ihr jedesmal versprochen, dass wir diesen Tag in ganz großem Stil feiern würden. Aber jetzt würde sie ihn ohne mich feiern, in Ost-Berlin, mit russischem Sekt und wohl auch Kaviar. Fiona liebte Kaviar.
Wäre ich mit Fiona bis Heathrow gekommen, ohne dass sie gemerkt hätte, dass wir uns nicht auf verrückte, romantische Abwege begaben? Nein. Aber das lag daran, dass man meine Frau Fiona mit romantischen Eskapaden nur in sehr, sehr beschränktem Maße reizen konnte. Moment mal! Stimmte das?
Der wahre Grund, weshalb ich Fiona niemals vorgeschwindelt hätte, dass wir beide uns unbedingt mal ein paar schöne Tage im Süden machen müssten, war, dass sie mir nie geglaubt hätte, eine plötzliche Einladung, mit nach Nizza zu fliegen, sei
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eine romantische Eskapade. Meine Frau Fiona kannte mich zu gut. Das war der Grund.
In Nizza jedoch schien die Sonne, und es bedurfte keiner besonderen Ereignisse, Glorias gewöhnlich gute Laune wiederherzustellen. Was sich abspielte, als ich einen Leihwagen nahm, war völlig ausreichend. Gloria hatte mich im Büro fließend deutsch sprechen und diktieren hören, auch mein mäßiges Russisch war ihr vertraut, und so war sie auf mein stockendes Französisch nicht gefasst.
Es lief von Anfang an schief. Die wunderschön frisierte junge Französin hinter der Theke der Autoverleihfirma war verständlicherweise etwas irritiert, als ich versuchte, in die private Unterhaltung, die sie mit ihrer Kollegin führte, meine Autowünsche einzuflechten. Sie ließ mich die Irritation spüren.
Sie sprach schnell und mit starkem provenzalischem Akzent, so dass ich ihr nicht folgen konnte.
Als ich mich endlich hilfesuchend an Gloria wandte und sie bat, die heruntergeratterten Hinweise, wo wir das Auto finden würden, zu übersetzen, war Gloria außer sich vor Freude. »Nix compri, was?« rief sie lachend und klatschte in die Hände.
Trotz Glorias unkooperativem Verhalten entdeckten wir das Auto schließlich. Es war ein kleiner weißer Renault-Kombiwagen, der schon viele Wintertage auf dem Parkplatz der Autoverleihfirma verbracht haben musste, denn er sprang nicht leicht an. Aber als wir dann auf der Autobahn nach Westen fuhren, war die Welt wieder in Ordnung. Gloria lachte und überzeugte mich irgendwann davon, dass alles sehr amüsant gewesen sei.
Bis zur Ausfahrt nach Antibes waren wir nur ein paar Minuten unterwegs. Um Glorias Amüsement nicht schon wieder neue Nahrung zu geben, hielt ich für den Kassierer an der Ausfahrt eine Handvoll Wechselgeld bereit. Nun schlängelten wir uns durch das Landstraßengewirr Richtung Grasse, Gloria immer mit der Nase auf der Landkarte.
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Wenn man einmal die Autobahn verläßt, entdeckt man ein ganz anderes Frankreich. Hier in dieser hügeligen, abgelegenen Gegend findet man von dem protzigen Reichtum der Cote d’Azur keine Spur. Anstatt der Rolls-Royces, Cadillacs und Ferraris holperten hier buntbemalte Citroën-Lieferwagen und antiquierte Ladas über die ausgefahrenen
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