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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Winters wohnten, aber Dodo schien über sie gut Bescheid zu wissen. Inge Winter war bei den Einheimischen als die »Hitler-Frau« bekannt, da ein geschwätziger Klempner dort einmal ein Rohr repariert und anschließend der ganzen Nachbarschaft von dem Hitler-Foto der alten Frau erzählt hatte.
    Als Dodo hörte, dass wir seine geheimnisvollen Nachbarn besucht hatten, gab er sogleich ein paar witzige Anekdoten über Inges Schwiegervater zum besten, die er in seiner Wiener Zeit aufgeschnappt hatte. Der alte Harald Winter war ein reicher Geschäftsmann gewesen, der viel von sich reden zu machen wusste: mit seinem Rennwagen, seinem Jähzorn, seiner unversöhnlichen Rachsucht, den Damen der besten Gesellschaft, die ihm in seiner Loge in der Oper Gesellschaft leisteten, den Unsummen, die er für den Schmuck ausgab, mit dem er die Damen seiner Wahl schmückte, dem lächerlichen Duell, zu dem er den alten Professor Schneider forderte, den Gynäkologen, der seine Frau von ihrem zweiten Sohn entbunden hatte.
    »In meines Vaters Zeit war Harry Winter das Stadtgespräch in Wien. Und noch heute erzählen die älteren Leute Geschichten von ihm. Das meiste ist wahrscheinlich mehr oder

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    weniger erfunden. Aber er hatte eine sehr schöne Geliebte. Das kann ich bezeugen, denn die habe ich selbst oft gesehen. 1942
    studierte ich Chemie in Wien, und meine Tante, bei der ich wohnte, schneiderte für sie. Die Zeiten waren nicht die besten für Harrys Geliebte. Es war ja schon Krieg, die Nazis herrschten in Österreich, und sie war Jüdin. Sie war Ungarin und plauderte gern mit meiner Tante in ihrer Muttersprache.
    Eines Tages kam sie nicht zur Anprobe. Später hörten wir, dass sie in ein Lager abtransportiert worden war. Bei der Gestapo war nicht einmal mit Geld was zu machen.« Nach dieser Feststellung schnaufte er und ging in die Küche, um irgend etwas umzurühren. Als er zurückkam, warf er ein großes Holzscheit auf das Feuer im Kamin. Das Holz war feucht und zischte in der Glut.
    Dodos Hütte war in keinster Weise mit dem geschmackvoll ordentlichen Winterschen Haus zu vergleichen. Bei den Winters herrschte ein spartanischer Luxus, Dodos Rumpelkammer befand sich in einem Zustand pittoresker Verwahrlosung. Die Südwand bestand zur Hälfte aus gläsernen Schiebetüren, durch die man auf eine jetzt im Dämmerlicht liegende Terrasse hinausblickte, wo die gleiche Unordnung herrschte wie im Wohnzimmer. Dodo hatte auf seine alten Tage zu malen angefangen. Der einzige andere größere Raum des Hauses lag nach Norden, und den benützte Dodo als Atelier. Er zeigte es uns. Verschiedene unfertige Bilder lehnten an den Wänden. Landschaften in der Manier des späten van Gogh, gar nicht übel. Die meisten zeigten Ansichten des gleichen Motivs, das Tal vor seiner Haustür zu verschiedenen Tageszeiten zwischen Morgengrauen und Abenddämmerung.
    Angeblich hatte er eine Galerie in Cannes, die seine Bilder verkaufte. Es war vermutlich nicht allzu schwer, diese farbenprächtigen Pasticcios an Touristen, die an der Côte d’Azur Urlaub machten, zu verkaufen.

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    Als wir von unserem Besichtigungsrundgang an den Kamin zurückkehrten, qualmte dort das feuchte Holz, das Dodo aufs Feuer geworfen hatte, und die Rauchschwaden schwärzten die Wände noch ein wenig mehr und trieben uns Tränen in die Augen. Gloria deckte den Tisch, der sich praktischerweise gleich neben der Küchentür befand. Hinter dem Tisch an der Wand stand ein hoher, alter, geschnitzter Kleiderschrank. Dodo hatte die Türen herausgenommen, rohe Regalbretter eingezogen und seine Bibliothek hineingestellt: Philosophie, Geschichte, Chemie, Kunst, Lexika, Kriminalromane, Biographien – alles ohne erkennbare Ordnung
    nebeneinandergepfercht, jedes Buch abgegriffen, fleckig, verbogen oder ausgefranst. Als wir uns zu Tisch setzten, zog er für mich einen Ohrensessel heran und hielt plötzlich die Armlehne in der Hand. Unter schallendem Gelächter steckte er sie wieder an ihren Platz, mit einer Geschicklichkeit, die offenbar in langer Übung erworben war. Er lachte häufig und ließ dabei goldene Backenzähne sehen, die nur wenig gelber waren als sein übriges Gebiss.
    Ich wusste natürlich, dass wir hier waren, weil Gloria mich Onkel Dodo vorführen wollte, und wieviel Wert sie darauflegte, dass ich einen guten Eindruck machte. Und so wollte auch ich einen guten Eindruck machen. In loco parentis beäugte er mich prüfend und stellte mir jene beiläufigen Fragen, wie, sie Eltern den

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