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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Lisl das Haus haben.« Sie blickte auf ihre Hände hinab und merkte, dass sie das Foto in der Hand hielt. Sie reichte es mir. »Meine Hochzeit«, verkündete sie.
    Ich betrachtete das Bild. Die Winters hatten in großem Stil geheiratet. Sie stand auf den Stufen eines imposanten Gebäudes in einem prächtigen Brautkleid mit langer Schleppe, die von Knaben in weißen Anzügen gehalten wurde. Der Bräutigam an ihrer Seite trug die Ausgehuniform irgendeines deutschen Regiments, Kameraden rechts und links kreuzten die Klingen über dem Brautpaar. Weiter außen, die Stufen hinan, waren die Gäste aufgebaut: ein gutaussehender Marineoffizier, diverse hochrangige Braunhemden und SS-Offiziere, reich dekorierte Parteifunktionäre und andere Uniformträger obskurer Nazi-Organisationen.
    »Sehen Sie Lisl dort?« fragte sie mit schelmischem Lächeln.
    »Nein.«
    »Sie steht bei dem Zivilisten.« Jetzt sah ich die beiden ohne Mühe. Wirklich war Lisls Begleiter der einzige Mann, der keine Uniform trug. »Armer Erich«, sagte sie und lachte spöttisch. Dieser seltsame Scherz über Lisls klavierspielenden Ehemann mochte damals durchaus seine Wirkung getan haben.

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    Aber der alten Frau schien nicht bewusst zu sein, dass die Geschichte Erich Hennig recht gegeben hatte. Ich schob das Foto zurück in die enge Lücke, die ihm zustand.
    »Nur private Papiere«, wiederholte sie. »Sachen, die für niemanden außer mir von Interesse sind.«
    Pünktlich um ein Uhr rief uns die Tochter zum Essen, das in einem kleinen Eßzimmer mit Blick auf den Hof serviert wurde.
    Die alte Frau ging zu Fuß, ohne Hilfe, und redete während der Mahlzeit weiter angeregt über Berlin.
    »Ich kenne Berlin überhaupt nicht«, sagte Ingrid, »aber für meine Mutter ist es die Stadt schlechthin.«
    Das genügte schon, um die nächste Geschichte über die glücklichen Vorkriegsjahre in der Hauptstadt auszulösen. Die alte Frau erzählte mit solcher Begeisterung, dass sie gar nicht zu merken schien, dass ihre Zuhörer die Leute, von denen sie redete, nicht kannten. Sie spickte die Anekdoten mit Bemerkungen wie »Ihr wisst doch noch, dieses Zeug, das Fritz immer trank«, oder »Der Tisch, an dem Pauli und ich immer saßen in der Königin am Ku’damm«. Einmal unterbrach sie ihren Bericht über einen rauschenden Ball im Jahre 1938 und fragte Ingrid: »Wie hieß doch noch das Haus, wo dieser Göring diesen wundervollen Ball gab?«
    »Haus der Flieger«, antwortete Ingrid. Ich muss sehr verblüfft ausgesehen haben, denn sie fügte hinzu: »Inzwischen kenne ich Mamas Geschichten sehr gut, Herr Samson.«
    Nach dem Essen versiegte der Redefluss der alten Dame.
    Ingrid sagte: »Meine Mutter wird müde sein. Ich glaube, sie sollte jetzt ein wenig schlafen.«
    »Natürlich. Kann ich irgendwie helfen?«
    »Sie läßt sich nicht gerne helfen. Ich glaube, sie schafft es auch so.« Ich blieb also sitzen, während Ingrid die Mutter ins Schlafzimmer begleitete. Es war noch ungefähr eine Viertelstunde vor der mit Gloria verabredeten Zeit, und so lud

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    Ingrid mich ein, sie in die Küche zu begleiten und dort noch eine Tasse Kaffee mit ihr zu trinken.
    Ingrid Winter wurde mir immer sympathischer. Meine Bemerkung, dass ich es großzügig von ihr fände, auf ihren Anteil am Haus zu verzichten, wehrte sie mit einer Handbewegung ab. »Wenn Mama stirbt, und wenn Tante Lisl stirbt«, sagte sie – und mir fiel auf, dass sie den Tod nicht mit einem der gebräuchlichen Euphemismen umschrieb –, »was soll ich dann mit einem Haus in Berlin?«
    »Sie leben lieber in Frankreich?« fragte ich.
    Sie sah mich einen Augenblick an, ehe sie antwortete:
    »Mama liebt das Klima.« Was ihr persönlich gefiel oder nicht gefiel, kam nicht zur Sprache.
    »Wie die meisten Leute«, sagte ich.
    Sie antwortete nicht. Sie schenkte mir Kaffee nach und sagte: »Sie dürfen nicht ernst nehmen, was Mama redet.«
    »Sie ist doch eine fabelhafte Frau für ihr Alter.«
    »Das mag schon sein, aber sie ist bösartig. Alte Leute machen gerne Unfug. In dieser Hinsicht sind sie wie Kinder.«
    »Ich verstehe«, sagte ich und hoffte, dass sie das näher erklären würde.
    »Sie lügt.« Da diese Eröffnung mich nicht zu beeindrucken schien, wurde sie deutlicher. »Sie tut so, als glaubte sie, was man ihr erzählt, aber sie hat einen glasklaren Verstand. Sie weiß ganz genau, dass Sie kein Schriftsteller sind.« Sie wartete.
    »Ach, wirklich?« sagte ich in gelangweiltem Ton und nippte an meinem

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