Gekroent
Fräulein‘ kennenlernen.“
Du siehst also, Geliebte, dass es nicht Myrna ist, um die ich mir Sorgen mache.
„Häh?“, fragte ich kurz und bündig.
Wappne dich, Geliebte. Und denk immer daran, ich bin bei dir.
Ich fing gerade an, mir darüber Gedanken zu machen, wo zum Teufel Epona mich hinbringen würde, als der klare Himmel über dem Tempel zu einem Strudel wurde. Es war, als hätte sich ein verrückter Tornado materialisiert. Blinzelnd starrte ich in den dunklen, kegelförmigen Schlauch, der sich drehte und öffnete, um mir einen Feuertunnel zu zeigen. Bevor ich noch etwas sagen konnte, wurde mein Geist in das aufgewühlte Inferno gesaugt. Zu wissen, dass ich auf physischer Ebene nicht mit meinem Körper verbunden war, änderte nichts. Es machte überhaupt keinen Unterschied, sondern fühlte sich an, als würde mein Herz in meiner Brust nahezu zerquetscht werden.
Ich konnte nicht atmen. In totaler Panik öffnete ich den Mund, um zu schreien. In dem Moment spuckte der Tunnel meinen Geist aus. Ich war ernstlich desorientiert. Übelkeit hatte mich fest im Griff. Ich atmete die kalte Luft ein und fragte mich (nicht zum ersten Mal), wie ein körperloser Geist den Drang haben konnte, sich zu übergeben. Bald schon beruhigte mich das vertraute Gefühl, zu schweben. Das Schwindelgefühl ließ langsam nach. Ich schaute nach unten und erkannte, wo ich war. Freude tanzte durch meinen Geist und verscheuchte das letzte Fitzelchen Übelkeit. Ich war in Oklahoma und befand mich über dem Haus meiner Kindheit. Langsam senkte mein Seelenkörper sich durch das vertraute Dach, und bald schon schwebte ich mitten im Wohnzimmer meiner Eltern.
Ich verhielt mich ruhig; ich wollte einfach nur den Anblick des Raums in mich aufnehmen. Hier hatte sich nichts verändert. Das Zimmer war sauber, aber unordentlich. Sie wissen, was ich meine. Meine Eltern haben ein echtes Zuhause, in dem Menschen wirklich leben und lieben und lachen, und nicht ein kaltes, herzloses Schaustück. (Ich meine, bitte, sogar mein opulentes Zimmer in Eponas Tempel ist manchmal unordentlich.) Bücher lagen verstreut auf Beistelltischen und sonst wo. (Meine Eltern lesen eigentlich ständig. Am liebsten paranormale Liebesromane – ja, sogar mein Dad. Das ist ein Beweis dafür, dass sich auch Männer über das subhumane Level von „Sports Illustrated“ und „Maxim“ erheben können.) Es brannte nur eine kleine Lampe, und sie war so heruntergedimmt, dass ich eine Weile brauchte, um zu bemerken, dass mein Dad auf dem Stuhl daneben saß. Er schlief tief und fest.
Ich lächelte und sagte mir, dass ich nicht weinen würde. Alleinebeim Anblick meines Vaters fühlte ich mich geborgen und sicher und geliebt. Mann, ich vermisste ihn. Ich spürte ein leichtes Zittern und wusste, dass Epona ein wenig Magie hatte walten lassen, um meinen Seelenkörper sichtbar zu machen. Schnell schaute ich an mir herunter. Zum Glück war ich dieses Mal nicht nackt. Dann schaute ich wieder zu meinem Dad und öffnete grinsend den Mund, um laut „Überraschung, Dad, ich bin’s“ zu rufen. In dem Moment bewegte sich das Buch auf seinem Schoß. Es strampelte und gab Gurrlaute von sich.
„Heilige Scheiße, das ist gar kein Buch!“
Beim Klang meiner Stimme zuckte mein Dad zusammen. Er
blinzelte und schaute sich verschlafen im Zimmer um. Ganz sicher dachte er, dass er träumte. Dann nahm er das Baby (BABY?) aus seiner Armbeuge, legte es an seine Schulter und tätschelte sanft den gewindelten Po.
„Dad, wo zum Teufel kommt das Baby her?“
Dad zuckte erschrocken zusammen. Sein Blick folgte dem Klang meiner Stimme, und seine Augen weiteten sich überrascht. „Shannon? Bist du das, Bugsy?“
„Ja, ich bin’s, Dad.“ Bevor ich noch etwas sagen konnte, fragte er: „Ist bei dir alles in Ordnung? Ist heute irgendetwas Schlimmes passiert?“
„Mir geht es gut, Dad – ehrlich gesagt sogar großartig. Ich habe heute eine Tochter bekommen. Sie heißt Myrna, und sie ist so wunderhübsch. Du bist jetzt Großvater!“
„Mein Bugsy-Mädchen, das ist ja wundervoll!“
Er nahm das Baby von seiner Schulter und legte es in seine andere Armbeuge, sodass er sich die Tränen aus den Augen wischen konnte. Ich warf einen Blick auf das Baby, und die Erkenntnis durchfuhr mich wie ein heißer Blitz.
„Wessen Kind ist das?“
Ich wusste die Antwort, bevor er sie mir gab.
„Rhiannons.“
„Wie geht das, Dad? Sie ist tot.“
Er nickte bedächtig. „Ja. Sie ist bei der Geburt ihrer Tochter
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