Gekroent
Morrigan sanft.
Sie erhielt keine Antwort. Nicht in ihrem Kopf und nicht aus der Luft. Manchmal schwiegen die Stimmen.
Sie wünschte, Grandpa wäre bei ihr. Er könnte ihr vielleicht helfen, einen Sinn in all dem zu erkennen. Ihm würden die Höhlen auch gefallen. Bei dem Gedanken musste sie lächeln, aber das Lächeln fing an zu zittern, als Morrigan bewusst wurde, dass ihr Grandpa nicht nur die Höhlen der Sidetha nie zu sehen bekommen, sondern auch sie nie wiedersehen würde.
„Und ich war so gemein zu ihm.“ Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, als das Heimweh sie übermannte und es ihr schwer machte, zu atmen.
Es tut mir leid, Grandpa. Es tut mir leid, Grandma. Bitte verzeiht mir und wisst, wie sehr ich euch liebe. Ich werde euch immer vermissen.
Brina maunzte leise und drückte ihre Nase an Morrigans Hals. Morrigan schlang die Arme um die große Katze, schmiegte ihr Gesicht in das dicke Fell und weinte sich in den Schlaf.
5. KAPITEL
In Morrigans Traum war es kalt und dunkel. Nicht die beruhigende Dunkelheit einer Höhle, sondern eine eisige, drückende Schwärze, die in ihrem schlafenden Geist das Gefühl erweckte, lebendig begraben zu sein. Sie versuchte sich zu sagen, dass es nur ein Traum war; sie konnte jederzeit aufwachen. Es war aber einer dieser Albträume, der mit klebrigen Tentakeln an einem hing und sich selbst im Licht der Morgendämmerung nicht abschütteln ließ.
Sie konnte sich nicht bewegen und erinnerte sich mit einem Mal an das Gefühl, zu ersticken, das sie im Selenitkristall hatte, als sie unfähig war, vor- oder zurückzugehen. Nur ertrank sie in dem Traum in Dunkelheit … endloser, bleierner Dunkelheit. Aus dem Dunkel kamen Stimmen. Erst das Lachen einer Frau, tief und spöttisch. Wähle mich, sagte ihre stolze Stimme in überheblichem Ton, der Morrigan das Gefühl gab, keine andere Wahl zu haben. Als Nächstes behauptete ein Mann mit besitzergreifender, arroganter Stimme: Du gehörst mir. Dann wies eine weichere, entfernter klingende Stimme sie an: Sei weise … sei stark.
Morrigan konnte sie kaum hören, und ihr schlafender Geist schrie, dass sie nicht wusste, wie sie weise sein sollte und dass sie zu verwirrt war, um stark zu sein. Nun erklang eine weitere Frauenstimme, nicht ganz so weit weg, aber nicht weniger rätselhaft: Vertrau dir selbst, Kind.
Morrigan kämpfte gegen die einengende Dunkelheit. Sich selbst vertrauen? Sie kannte diese Welt nicht. Sie verstand nichts von alten Göttern und Göttinnen. Sie wusste nicht, wie man magische Kräfte beherrschte. Die Dunkelheit wurde immer dichter, als schöbe ein Bulldozer Erde über ihr Grab. Aber ich lebe noch! Vergrabt mich nicht hier unten! Ihr Herz klopfte so schnell, dass ihr die Brust wehtat. Sie konnte nicht atmen!
Die Dunkelheit riss auf, als würde ein Bühnenvorhang gelüftet. Eine Hand glitt hindurch und bat sie, sie zu fassen. Sie tat es, wurde aus dem Loch gezogen und sah in Kyles attraktives, lächelndes Gesicht. Morrigan warf sich in seine Arme. Er hielt sie fest, aber sie merkte, sobald sie sich in seinen Armen entspannte, veränderte er sich, verhärtete, fühlte sich merkwürdig und falsch an ihrer Haut an. Sie schob ihn von sich und sah, dass ein Skelett seinen Platz eingesnommenhatte. Ein Skelett mit seinen warmen braunen Augen, die sie traurig anschauten.
Es ist in Ordnung , rasselten die Worte aus seinem fleischlosen Mund. Wir müssen alle irgendwann sterben.
Morrigans Schrei durchbrach endlich den Traum, und sie erwachte.
Brina lag ausgestreckt neben ihr und beobachtete sie interessiert, den Kopf geneigt und die Ohren aufgerichtet. Morrigan setzte sich hin, rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte, den Traum zu vergessen. In einer Geste, die ihr mehr und mehr zur zweiten Natur wurde, strich sie über die Höhlenwand und murmelte: „Mehr Licht, bitte.“ Die hängenden Kristalle erstrahlten sofort in neuem Glanz und verscheuchten die in den Ecken lauernde Dunkelheit ihres Albtraums. Sie merkte, dass sie Hunger hatte und außerdem dringend das Badezimmer aufsuchen musste. In dem Moment ertönte Birkitas Stimme von der anderen Seite der Tür.
„Mylady, seid Ihr wach?“
„Jupp! Ich bin schon auf“, erwiderte Morrigan fröhlich, fest entschlossen, sich von einem dummen Traum nicht den Tag verderben zu lassen.
Ein strahlendes Lächeln im Gesicht, betrat Birkita das Zimmer und sank in einen tiefen, formellen Hofknicks. „Guten Morgen, Lichtbringerin.“
Morrigan grinste und neigte den
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