Gelb-Phase: Mein Pöstchen bei der Post - Geschichten aus dem Intimleben des Gelben Riesen
teurer geworden?“
Ich wusste es doch! Ich wollte keine Briefmarken am Schalter stehen haben, aber Herr Grothe in seiner un ermesslichen Güte und noch un ermesslicheren, schon erwähnten und viel zu sehr ihrer Zeit voraus eilenden Kundenfreundlichkeit hatte darauf bestanden, dass die Leute neben spenden auch Marken kaufen können.
Der Öko-Typ mit dem Bundeswehrfetzen spendete natürlich keinen Pfennig, er nahm seine dämliche Marke und ging wieder. Ganz großes Kino, Herr Grothe! Ganz groß!! Gibt es eben kein Brot für das arme Negerbaby. (Man muss auch mal was Verrücktes schreiben.)
Zurück zur Political Correctness: Die dunkelstpigmentierten Zeiger auf dem weißen Zifferblatt der großen Uhr, die an der Wand über dem Schalter 1 hing, rückten langsam auf halb sieben vor und Parkaman blieb der einzig bislang erschienene Besucher. Melancholische Stimmung senkte sich bereits über die Schalterhalle, als sich endlich die Türen wieder öffneten. Es traten zwei Personen ein, die sich so vorstellten:
„Guten Abend, Johanna-Mathilda Schneesteuber-Rothentöder , mein Kollege … Rolf Sack.“, sie zeigte beiläufig auf den jungen Typ in der löchrigen, ausgefransten Jeans neben ihr. „Wir kommen von den Büdericher Nachrichten und sollen über den Afrika-Tag berichten. Wir haben sicher schon den ersten Ansturm verpasst, was? Aber ging nicht früher, in Osterath hat sich die Baumarkt-Eröffnung verzögert, weil dieser Schlager--Typ, dieser Christian Anders, ne Panne mit seinem Mofa hatte…“
„Na ja, Ansturm … So kann man das jetzt nicht unbedingt nennen …“, versuchte ich die Euphorie des Presseteams etwas zu bremsen. Aber das Team Schneegestöber-Rosenbestäuber/Sack wollte seine Reportage – und ich bekam einen Einblick in die Trickkiste der Presse.
„Stell du mal die Kamera auf den Tisch da und stell auf Selbstknipser. Und dann stellen wir uns vor den Schalter und dann hamm‘ wir unser Foto auch schon.“
Und so kam es, dass am nächsten Tag alle Leser der Büdericher Nachrichten ein Foto zu sehen bekamen, über dessen Schönheit man – unter heutigen Gesichtspunkten betrachtet – wohl streiten konnte …
Denn darauf war ich zu sehen, wie ich in bester Teleshop-Manier in der einen Hand fünf Spenden-Infoblätter in Höhe meines im Atze-Schröder-Minipli-Look frisch frisierten Kopfes hielt und die andere Hand mit nach außen gedrehter Handinnenfläche fünf weitere, auf dem Tisch akkurat gefächert liegende Blätter präsentierte. Das debile Grinsen von mir vervollständigte den unnatürlichen Eindruck genauso wie die verkrampfte Körperhaltung der beiden Menschen vor dem Schalter, von denen der weibliche Part gerade zu versuchen schien, einen Fünfmarkschein hochkant zu mir durch zu schieben – was auch wieder einen selten dämlichen Eindruck machte. Zu allem Überfluss hatte die Szenerie im Original als iTüpfelchen noch mein pinkgestreiftes Hemd mit passender Krawatte gezeigt, was aber im Foto nicht auffiel, weil in der Redaktion wohl doch jemand journalistisches Verantwortungsbewusstsein hatte und das Bild nur in schwarz-weiß abdrucken ließ.
Die Bilanz des „Tags für Afrika“ sah also so aus, dass die Spendeneinnahmen gleich null waren, denn selbst die fünf Mark, mit der Frau Schneerosen-Stöberstaub fürs Foto wedelte, vergaß man im Eifer des Gefechts auch tatsächlich einzuzahlen. Und außer ihr und ihrem Sack fanden nur der Parkaträger und ein süddeutsches Ehepaar („Mer brauchet nur zehn Briefmarke, a jo…“) den Weg zu mir.
Dennoch ging ich um 19 Uhr beseelt in die Meerbuscher Sommernacht, denn: Ich hatte es wenigstens versucht. Und da ich für die Überstunde keinen Lohn erhielt, hatte ich schließlich auch was gespendet … irgendwie.
Ein Postbeamter kommt spät in der Nacht leicht angesäuselt nach Hause.
Seine Frau empfängt ihn mit einer langen Gardinenpredigt.
„Und? Wa s hast Du dazu zu sagen?” faucht sie ihn nach einer endlosen Schimpfkanonade schließlich an.
”Als einfaches Telegramm aufgegeben, macht das genau 580 Euro und 60 Cent. Wollen Sie ein Schmuckblatt dazu?”
19
Liebesgrüße aus dem Bundestag
Im Schalterdienst war ich inzwischen ein As, jedenfalls ich empfand das so. Und diese Aufsichtsführung in der Briefverteilung, nun ja, ich hatte es immerhin versucht. Vor jeder Art Zustellung bewahrte mich zu jener Zeit der Status als Beamter im mittleren Dienst, den mit jenem war praktisch per Gesetz
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