Geliebte Betrügerin
Königin ihn nicht mehr in der Hand hatte. Die Vollmondgeschichte war heraus; sie konnte ihn nicht mehr damit erpressen. Welch schreckliche Ironie es doch war. Er brauchte nicht länger ein Kind. Doch hatte er ein Kind und eine Gouvernante dazu. Und er war nicht sicher, ob er ohne die beiden je wieder glücklich sein konnte.
Er und Pamela traten vor. Kerrich verbeugte sich, Pamela knickste.
»Ich habe jahrelang nicht mehr das Vergnügen Ihrer Gesellschaft gehabt, Miss Lockhart.« Die Königin streckte Pamela die Hand hin. »Ich habe meine liebe Freundin sehr verMisst.«
Jetzt, wo der Augenblick da war, war Pamelas Nervosität geschwunden. Sie war ein Inbegriff an Haltung, als sie knickste und der Königin die Hand gab. »Genau wie auch ich Sie vermisst habe, Madam. Aber natürlich habe ich mit großer Anteilnahme Ihr Leben mit verfolgt und würde Ihnen gerne zu Heirat und Krönung gratulieren.«
Victoria strahlte und legte die Hand auf Alberts Arm. Die Ehe machte sie glücklich. Kerrich konnte es ihr nicht missgönnen, auch wenn er Albert immer noch die Schuld gab an Victorias unerbittlicher Forderung nach Respektabilität.
Respektabilität. Er hatte sie einfach nicht. Und dann war da noch die Frage nach dem königlichen Guthaben auf seiner Bank.
Und wo war Beth?
»Was haben Sie all die Jahre gemacht?«, fragte Victoria und setzt mit einem verschwörerischen Seitenblick auf Kerrich hinzu: »Oder sollte ich lieber fragen: Was haben Sie mit Kerrich gemacht?«
Kerrich begriff augenblicklich, dass ihm ein Fehler unterlaufen war. Als er die Einladung beantwortet hatte, hatte er schlicht nur Pamelas Namen aufgelistet. Er hatte nicht daran gedacht, auf Pamelas Stellung in seinem Hause einzugehen oder dass die Königin der Tatsache, dass er in Damenbegleitung kam, größere Bedeutung beimessen würde.
Aber Pamela blieb unerschütterlich und erklärte: »Ich bin die Gouvernante von Lord Kerrichs Mündel.«
Victoria war gut trainiert. Nur einen Sekundenbruchteil blitzte die Enttäuschung durch. »Ich bin sicher, Sie sind eine wundervolle Gouvernante.« Dann wandte sie sich an Kerrich: »Und wo ist nun das viel gerühmte Mündel?«
Teuflisch gute Frage aber auch.
»Eure Majestät, mein Mündel ist -«
»Genau hier, mein Junge«, kam Lord Reynards Stimme von hinten. »Hier an meiner Hand.«
Kapitel 27
Alle Gesichter drehten sich wie auf Kommando zu ihr und Lord Reynard herüber. Aber Beth würde sie ihre plötzliche Scheu nicht merken lassen. Sie schaute weder Lord Kerrich an noch Miss Lockhart. Es machte sie immer noch verrückt, wie hinterhältig die beiden sein konnten. Also sah sie unverwandt die Königin an, die nicht gerade groß war und lächelte, als hätte sie noch nie ein so entzückendes Mädchen wie Beth gesehen. Was vermutlich sogar zutraf. Beth wusste nur zu genau, dass sie noch nie so hübsch ausgesehen hatte wie heute. Sie liebte die weißen Handschuhe aus Spitze, sie liebte das rüschenbesetzte Kleid, und die blaue Samtschärpe liebte sie erst recht.
Aber sie schaffte es nicht, sich von der Stelle zu rühren, bis Lord Reynard ihr einen kleinen Schubs gab.
Als sie sich vorwärts bewegte, eilte Lord Kerrich an ihre Seite und legte ihr den Arm um die Schulter. Zusammen traten sie der Königin entgegen. »Eure Majestät, das ist mein Mündel, Miss Elizabeth Hunter.«
Beth knickste genauso, wie es ihr Miss Lockhart beigebracht hatte, und sie schien es richtig gemacht zu haben, denn die Gäste murmelten zustimmend, die Königin strahlte, und Prinz Albert – Beth wusste, dass es Prinz Albert war, weil sie seine Karikatur in einem Magazin namens gesehen hatte –, Prinz Albert lächelte sie an, als ob er sie gern hätte, was auch nur gerecht war bei solch hüpfenden Stopsellocken.
Die Königin streckte die Hand aus und sagte: »Du bist ein liebes Mädchen. Komm und unterhalte dich ein bisschen mit mir.«
Miss Lockhart hatte ihr beigebracht, dass es keinen Unterschied machte, ob man wirklich tapfer war oder nur so tat, und sie hatte Beth eine Löwin genannt. Also marschierte Beth auf das Monarchenpaar zu und nahm die Hand der Königin. »Wie geht es Ihnen, Eure Majestät?«, fragte sie.
Das war die höfliche Art, ein Gespräch anzufangen, hatte Miss Lockhart gesagt, aber anscheinend fragten nicht viele Leute die Königin so was, denn ein paar von den Gästen lachten richtig laut, und Prinz Albert bekam ganz plötzlich einen Husten, und die Königin fing überrascht zu kichern an. Doch dann starrte
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