Geliebte der Ewigkeit (German Edition)
erreichte, hinter der jemand den Kampf um sein Leben verlor. Sein Tritt riss die Tür aus den Angeln. Er roch Blut und Verwesung. Der Geruch frischen und abgestandenen Todes. Der Geruch des Opfers und seines Mörders. Das Opfer lag auf dem Boden, sein Mörder war über es gebeugt, fraß an dessen Kehle und soff gierig das Blut.
Wendigo, schoss es Quinn durch den Kopf. Gestaltgewordener Hunger. So unersättlich, dass die Kreatur mit den langen weißen Haaren, den zerlumpten Kleidern auf dem grotesk verzerrten Körper, den bedrohlich langen und messerscharfen Fängen und den Klauen anstatt Fingernägeln ihn nicht bemerkte.
Einst war es ein Mensch gewesen. Bevor der Geist des Wendigo in ihn oder sie – das war nicht mehr zu entscheiden – schlüpfte, um durch ihn oder sie einen anderen verfaulenden Körper zu ersetzen. Ein Wendigo verkörperte die widerlichste Art eines Besetzerdämons, nur fähig, einen Leichnam in Besitz zu nehmen, nicht aber dessen Verfall aufzuhalten. Sie waren auch die aggressivste Ausprägung der Besetzerdämonen, zum ständigen Wechsel des verwesenden Wirtskörpers gezwungen, töteten sie wahllos und in kurzen Abständen.
Dieser Wendigo hielt sich beinah schon zu lange in seinem Wirt auf, doch vor dem Wechsel musste er sich nähren. So gierig, wie er sein Opfer verschlang, war er zu ausgehungert, um überhaupt an einen Wechsel zu denken. Er würde dieses Opfer auffressen, die Knochen aufbrechen, um das Mark herauszusaugen und sich dann zum nächsten potenziellen Wirt begeben.
Quinn griff in dieser unglückseligen Nacht zum zweiten Mal ins Leere. Der Neamh-Dolch befand sich seit seiner Gefangennahme durch Nathairs Lakaien in dessen Waffenkammer. Fluchend begrub Quinn die Hoffnung, dem widerlich stinkenden Wendigo nicht näher als eine Klingenlänge kommen zu müssen.
Perfekt, beschissen perfekt. In etwa so perfekt wie Morrighan zu erlauben, sein Blut zu trinken und dadurch ein noch schmerzlicheres Verlangen nach ihrem Blut zu riskieren. Das einzig Richtige, das er in dieser Nacht getan hatte, war mit der Wahrheit rauszurücken. Wenigstens hatte er es tun wollen.
Plötzlich hörte er Schritte hinter sich. Ein weiterer Höhepunkt der Nacht bahnte sich in Gestalt Clarissas und Leos an. Der Wendigo musste nun schnell sterben. Er warf sich auf ihn, riss den Dämon von der Leiche und stürzte sich mit ihm aus dem Fenster. Leider war der Fressrausch seines Gegners nicht geringer als sein Überlebensinstinkt. Kaum, dass er ihn packte, schlug der Wendigo seine Klauen in Quinns Körper, umklammerte ihn mit seinen teigig weichen, verwesenden Armen und Beinen, die immer noch über die Kraft eines Dämons verfügten. Quinn bearbeitete den Wendigo mit kräftigen Schlägen. Seine Faust zerfetzte zerfallendes Gewebe, riss Stücke aus dem verfaulenden Körper, aber er verlor die Kontrolle über den Rest, der sich mit Klauen und Zähnen wehrte. Und er verlor die Kontrolle über seinen Sturz. Ganz anders der Wendigo, er positionierte sich so auf Quinn, dass der ihm als Puffer dienen würde.
Der Sturz endete durch das zusätzliche, sich zur Wehr setzende Gewicht extrem hart und nicht wie geplant auf den Füßen. Die Luft wurde mit einem Schlag aus seinen Lungen getrieben. Knochen brachen. Seine. Das Gefühl in seinen Armen und Beinen schwand mit jedem brechenden Wirbel. Dank des Zimmermädchens setzte die Heilung bereits wieder ein, aber ihr Blut war nicht stark genug, um sie in ähnlicher Weise voranzutreiben, wie das Morrighans getan hätte. Er wäre vielleicht besser dran, wenn er ihr machtvolles Blut nicht mit schwachem, menschlichem verdünnt hätte. Müßig, darüber nachzudenken oder sich zu verfluchen, die Chance eben nicht ergriffen zu haben.
Nein, nicht einmal, um sich zu retten, würde er das tun. Nie wieder!
Unter Aufbietung seiner gesamten Willenskraft hob er die Arme, befahl seinem Körper, nicht aufzugeben. Doch er schaffte nur wenige Zentimeter. Zu wenig, um dem Wendigo mehr als ein hämisches Grinsen zu entlocken, das dessen großflächig verfaultes und skelettiertes Gesicht grotesk verzerrte. Quinn versuchte krampfhaft, seine Lungen mit Luft zu füllen. Als es ihm nach einer quälend langen Zeit gelang und er spürte, wie das Gefühl in seine Arme und Beine zurückkehrte, als er es schaffte, sich gegen den auf seiner Brust hockenden Wendigo zu wehren, wurde ihm schwarz vor Augen.
Benommen fand sich Morrighan auf ihrem Bett sitzend wieder. Sie war in ein Laken gewickelt, weit und breit
Weitere Kostenlose Bücher