Geliebte der Finsternis
ihnen zu, bevor sie verschwand. Spurlos.
Nachdenklich schaute Cassandra sich in der luxuriösen Garage des Mannes um, der schon seit so vielen Jahrhunderten lebte. Dann betrachtete sie den Siegelring an ihrer rechten Hand, den ihr die Mutter am Tag vor ihrem Tod geschenkt hatte. In ihrer Familie wurde dieser Ring von einer Generation an die nächste weitergegeben, seit die erste Vorfahrin verfrüht zu Staub zerfallen war.
Plötzlich brach Cassandra in Gelächter aus, was Wulf sichtlich verblüffte.
»Alles in Ordnung?«
»Nein«, erwiderte sie und versuchte ihr Amüsement zu
bezwingen. »Heute Nacht bin ich irgendwann vom Kurs abgekommen. Oder ich bin zumindest ins Reich von Rod Serlings ›Twilight Zone‹ eingedrungen.«
Seine Stirnfalten vertieften sich. »Wie meinst du das?«
»Mal sehen …« Sie schaute auf ihre goldene Harry Winston-Uhr. »Jetzt ist es erst elf. Heute Abend ging ich in einen Club, der von Panthern betrieben wird. Die können menschliche Gestalt annehmen. Dort wurde ich von bösartigen Vampiren und einem Gott angegriffen. Nach Hause zurückgekehrt, attackierten mich besagte Schläger und der Gott erneut, dann auch noch ein Drache. Ein Dark Hunter rettete mich. Und mein Bodyguard steht - vielleicht oder auch nicht - im Dienst einer Göttin. Soeben habe ich einen Schlafgeist kennengelernt. Ziemlich viel für ein paar Stunden, nicht wahr?«
Zum ersten Mal, seit sie den »realen« Wulf kannte, verzog sich sein attraktives Gesicht zu einem schwachen Lächeln. »In meinem Leben ein ganz normaler Abend.«
Er trat näher zu ihr und untersuchte ihren Hals, die Stelle, in die Stryker gebissen hatte. So warm, sanft und beruhigend fühlten sich seine Finger an … Sein Geruch stieg ihr zu Kopf, und sie wünschte, sie könnten die Zeit zurückdrehen und wieder Freunde sein.
Auf ihrem Pullover entdeckte er nur einen kleinen Blutfleck. »Anscheinend ist die Wunde schon verheilt.«
»Ja, ich weiß.« Der Speichel der Apolliten enthielt ein Kolloid, das eine schnelle Blutgerinnung bewirkte. Deshalb mussten die Daimons sofort saugen, sobald sie eine Wunde geöffnet hatten. Sonst schloss sie sich, bevor sie ihren Hunger stillen konnten. Durch die Einwirkung dieser Substanz konnte ein Mensch erblinden, wenn ein Apollit in seine Augen spuckte. Glücklicherweise hatte dieser
kurze Biss Cassandra in keiner Weise an Stryker gebunden. Nur Were Hunter besaßen diese besondere besitzergreifende Fähigkeit.
Wulf führte sie in sein Haus. Warum er beauftragt worden war, Cassandra zu beschützen, wusste er nicht. Aber er würde seine Pflicht erfüllen, solange Acheron den Befehl nicht widerrief. Zum Teufel mit allen Gefühlen.
Als er die Haustür hinter sich schloss, läutete sein Handy.
Er meldete sich und erkannte Corbins Stimme. »Hallo, hast du Kat gefunden?«
»Ja. Soeben erzählte sie mir, sie hätte nur den Müll hinausgebracht. Bei ihrer Rückkehr ins Apartment war Cassandra verschwunden.«
Das teilte er Cassandra mit, die verwirrt die Schultern hob.
»Was soll ich mit Kat machen, Cassandra?«
»Darf sie hierherkommen?«
Ja, wenn der Äquator gefriert … Ehe er etwas mehr über Kat und ihren Job wusste, würde er sie nicht in Christophers Nähe lassen. »Kann sie bei dir bleiben, Binny?«
Cassandras grüne Augen verengten sich. »Das habe ich nicht gesagt«, fauchte sie ärgerlich.
Mit einer knappen Geste brachte er sie zum Schweigen. »Ja, okay, Binny. Ich rufe dich an, sobald wir das geklärt haben«, versprach er und drückte auf die Aus-Taste seines Handys.
Entrüstet über seine Arroganz, fuhr sie ihn an: »Ich lasse mir nicht gern den Mund verbieten.«
»Hör mal …«, begann er und steckte das Handy in den Gürtel zurück. »Bevor ich etwas mehr über deine Freundin erfahren habe, wird sie dieses Haus, in dem Chris wohnt, nicht betreten. Mein eigenes Leben setze ich bereitwillig
für dich aufs Spiel - seines nicht, verdammt noch mal. Ist das klar?«
Cassandra zögerte, als sie sich entsann, was er in ihren Träumen über Chris erzählt hatte. Gewiss, der Junge bedeutete ihm sehr viel. »Tut mir leid, daran habe ich nicht gedacht. Also wohnt er auch hier?«
Wulf nickte und schaltete ein Licht im Flur an. Zur Rechten führte eine Treppe nach oben, zur Linken lag ein kleines Bad. Weiter unten am Korridor gingen sie in eine geräumige Küche, die vor Sauberkeit blitzte und hochmodern eingerichtet war.
Wulf hängte seine Schlüssel an ein kleines Gestell neben dem Herd.
»Fühl dich wie
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