Geliebte der Nacht
zurück, Lucan. Ich muss meine Freunde anrufen und mich überzeugen, dass es allen gut geht. Dann werde ich mir ein Taxi rufen, nach Hause fahren und versuchen, das Durcheinander zu ordnen, das aus meinem Leben geworden ist.“
„Das kommt nicht in Frage.“ Gabrielle hörte das metallische Klirren von Waffen und das raue Schaben einer Schublade, die geöffnet wurde. „Du befindest dich jetzt in meiner Welt, Gabrielle. Hier bin ich das Gesetz. Und du stehst unter meinem Schutz, bis ich es als sicher erachte, dich davon zu befreien.“
Sie unterdrückte den Fluch, der ihr auf der Zunge lag. Ganz knapp. „Hör mal, deine Position als wohlwollender Herrscher reichte früher möglicherweise sehr viel weiter, aber du darfst nicht denken, dass du das auf mich anwenden kannst –“
Das wütende Knurren, das ihm in der Dunkelheit entwich, ließ ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen. „Du würdest dort draußen ohne mich keine Nacht überleben, verstehst du? Wenn ich nicht wäre, hättest du dein gottverdammtes erstes Lebensjahr nicht überlebt!“
Gabrielle stand in der Dunkelheit und wurde ganz still. „Was hast du gesagt?“
Sie erhielt nichts als ein langes Schweigen zur Antwort.
„Was meinst du damit? Ich hätte nicht überlebt …“
Er fluchte durch zusammengebissene Zähne. „Ich war da, Gabrielle. Vor siebenundzwanzig Jahren, als eine hilflose junge Mutter an einem Busbahnhof in Boston von einem Rogue angegriffen wurde, da war ich dabei.“
„Meine Mutter“, murmelte sie, und ihr Herz hämmerte dumpf in ihrer Brust. Sie tastete nach der Mauer hinter ihr, lehnte sich mit dem Rücken dagegen, denn sie hatte das Gefühl, Halt zu brauchen.
„Sie war bereits gebissen worden. Er war dabei, sie auszusaugen, als ich das Blut roch und draußen vor dem Bahnhofsgebäude auf sie stieß. Er hätte sie umgebracht. Und er hätte auch dich getötet.“
Gabrielle konnte kaum glauben, was sie hörte. „Du hast uns gerettet?“
„Ich schritt ein und gab deiner Mutter die Möglichkeit zu fliehen. Sie war durch den Biss dem Tod schon zu nahe. Nichts konnte sie mehr retten. Aber sie wollte dich retten. Sie ist mit dir in ihren Armen weggerannt.“
„Nein. Ich war ihr gleichgültig. Sie hat mich verlassen. Sie hat mich in einen Mülleimer gesteckt“, flüsterte Gabrielle. Ihre Kehle brannte, als sie diese Worte aussprach, und sie spürte den alten Schmerz, verlassen worden zu sein.
„Der Biss hat sie wohl in einen Schockzustand versetzt. Wahrscheinlich war sie verwirrt und wollte dich irgendwohin legen, wo du in Sicherheit warst. Wo du vor der Gefahr geschützt warst.“
Gott, wie lange hatte sie sich Fragen über die junge Frau gestellt, die sie zur Welt gebracht hatte? Wie viele Szenarien hatte sie sich ausgedacht, um zumindest sich selbst zu erklären, was wohl in der Nacht geschehen war, in der sie als Säugling auf der Straße gefunden wurde? Niemals wäre sie auf so etwas gekommen.
„Wie hieß sie?“
„Ich weiß es nicht. Es war mir gleichgültig. Sie war nur ein weiteres Opfer der Rogues. Ich habe nicht mehr an die ganze Geschichte gedacht, bis du vorhin in deiner Wohnung deine Mutter erwähnt hast.“
„Und ich?“, fragte sie im Versuch, alle Stücke des Puzzles zusammenzusetzen. „Als du mich das erste Mal besucht hast, nach dem Mord, den ich gesehen hatte, wusstest du da, dass ich das Baby war, das du gerettet hattest?“
Er ließ ein trockenes Lachen ertönen. „Ich hatte keine Ahnung. Ich kam zu dir, weil ich beim Nachtclub deinen Jasminduft gerochen habe und dich wollte. Ich musste wissen, ob dein Blut so süß schmeckte, wie der Rest von dir roch.“
Diese Worte ließen sie an all den Genuss denken, den Lucan ihr mit seinem Körper bereitet hatte. Nun fragte sie sich, wie es sich angefühlt hätte, ihn an ihrem Hals saugen zu lassen, während er in sie eindrang. Schockiert stellte sie fest, dass sie darauf mehr als nur neugierig war. „Aber das hast du nicht getan. Du hast nicht …“
„Und das werde ich auch nicht“, entgegnete er knapp. Ein weiterer Fluch drang aus der Dunkelheit zu ihr herüber. Diesmal war es mehr ein gequältes Fauchen. „Ich hätte dich nie angerührt, wenn ich gewusst hätte …“
„Wenn du was gewusst hättest?“
„Nichts, vergiss es. Es ist nur … o Gott, mein Schädel pocht zu sehr, als dass ich reden könnte. Verschwinde einfach. Lass mich jetzt allein.“
Gabrielle blieb, wo sie war. Sie hörte, wie er sich wieder bewegte, mit einem steifen
Weitere Kostenlose Bücher