Geliebte der Nacht
Schlurfen seiner Füße. Und dann ein erneutes grollendes, animalisches Knurren.
„Lucan? Geht es dir gut?“
„Alles okay“, knurrte er. Es klang allerdings überhaupt nicht danach. „Ich brauche … äh, verdammt.“ Sein Atem ging nun schwer und stoßweise, fast keuchte er. „Verschwinde, Gabrielle. Ich muss … allein sein.“
Etwas Schweres fiel mit einem dumpfen Knall auf den mit Teppich belegten Fußboden. Lucan stieß einen Fluch aus und stöhnte.
„Ich glaube nicht, dass du jetzt allein sein musst. Ich glaube, dass du Hilfe brauchst. Und ich kann nicht die ganze Zeit im Dunkeln mit dir reden.“ Gabrielle tastete mit der Hand an der Wand entlang und suchte blind nach einer Lichtquelle. „Ich kann nichts sehen –“
Ihre Finger ertasteten einen Lichtschalter und knipsten ihn an.
„O mein Gott.“
Lucan lag verkrümmt neben einem Kingsize-Bett auf dem Boden. Sein Hemd und seine Stiefel waren ausgezogen, und er wand sich, als habe er starke Schmerzen. Die Male auf seinem nackten Rücken und seinem Torso waren grell verfärbt. Die komplizierten Wirbel und Bögen wechselten von tiefem Violett über Rottöne bis ins Schwarze, während er sich in Krämpfen krümmte und seinen Unterleib umklammerte.
Gabrielle eilte hin und kniete sich neben ihn. Lucans Körper zog sich brutal zusammen, sodass er sich zu einer festen Kugel zusammenrollte.
„Lucan! Was ist los?“
„Verschwinde.“ Er fauchte, als sie ihn zu berühren versuchte, knurrte wild und schlug um sich wie ein verwundetes Tier. „Weg! Das … geht dich nichts an.“
„Vergiss es!“
„Verschw… aaah !“ Ein neuer Krampf schüttelte ihn, schlimmer als beim letzten Mal. „Halt dich von mir fern.“
Panik schüttelte sie, als sie sah, wie er vor Schmerzen um sich schlug. „Was passiert mit dir? Sag mir, was ich tun soll!“
Er warf sich auf den Rücken, als hätten ihn unsichtbare Hände herumgeschleudert. Die Sehnen an seinem Hals waren so straff gespannt wie Kabel. Venen und Arterien wölbten sich an seinen Bizepsen und Unterarmen. Seine Lippen waren zu einer zähnefletschenden Grimasse verzogen und entblößten die scharfen weißen Fänge. „Gabrielle, verschwinde, verdammt noch mal!“
Sie zog sich ein Stückchen zurück, um ihm etwas Platz zu lassen, aber sie hatte nicht die Absicht, ihn hier allein ohne Hilfe leiden zu lassen. „Soll ich dir jemanden holen? Ich kann gehen und Gideon Bescheid sagen –“
„Nein! Nichts sagen … geht nicht. Niemandem.“ Als er Gabrielle kurz anblickte, sah sie, dass seine Pupillen nur noch dünne schwarze Schlitze waren, halb verschlungen von Seen aus glühendem Goldgelb. Dieser wilde Raubtierblick fiel auf ihren Hals. Und heftete sich auf die Stelle, an der sie ihren eigenen Puls hämmern fühlte. Dann schauderte Lucan und presste seine Augen fest zu. „Es geht vorbei. Das tut es immer … irgendwann.“
Wie zum Beweis begann er sich langsam aufzurappeln. Es sah sehr mühsam und schwerfällig aus. Aber als sie ihm zu helfen versuchte, überzeugte sie das Knurren, das er in ihre Richtung schickte, und sie ließ hastig von ihm ab. Mit wahnsinniger Willenskraft stemmte er sich hoch und fiel dann auf der Bettkante auf den Bauch. Er keuchte schwer, und sein Körper war noch immer völlig verkrampft.
„Gibt es irgendwas, was ich tun kann?“
„Geh.“ Er stieß das Wort mit hörbaren Qualen hervor. „Geh … weg.“
Sie blieb, wo sie war, und wagte es sogar, ihn leicht an der Schulter zu berühren. „Deine Haut glüht. Du hast hohes Fieber.“
Er antwortete nicht. Vielleicht, dachte sie, war er nicht in der Lage zu sprechen, weil er seine ganze Energie darauf richten musste, sich zu ankern und von dem zu befreien, was auch immer es war, das ihn so erbarmungslos in der Gewalt hatte. Er hatte ihr gesagt, dass er heute Nacht Nahrung zu sich nehmen müsse, aber dies schien tiefer zu gehen als einfacher Hunger. Das war Leiden, so schlimm, wie sie es noch nie gesehen hatte.
Ein erschreckender Gedanke schoss ihr durch den Kopf, ausgelöst von einem Ausdruck, den Lucan vorhin gebraucht hatte.
Blutgier.
Das war die Sucht, die er als Kennzeichen der Rogues beschrieben hatte. Alles, was den Stamm von seinen gesetzlosen Rogues-Brüdern unterschied. Als sie ihn jetzt ansah, fragte sie sich unwillkürlich, wie es sein mochte, einen Hunger zu stillen, der einen auch vernichten konnte.
Und wenn die Blutgier einen erst an der Gurgel gepackt hielt, wie viel Zeit blieb einem dann noch, bis sie
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