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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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abgestandene Luft umgab sie, eine Welt, weit entfernt von den Lebenden. Nur am Rand, in seinem  Kopf, fühlte er ein Summen, fast wie ein Saugen, das ihn in alle Richtungen gleichzeitig zu ziehen schien.
    Es kommt nicht von hier, dachte er. Es stammt nicht von hier.
    Aber es war nah. Fast, als wäre es ... über ihm.
    Die Stadt. Ich fühle die Stadt. Die Menschen über mir.
    Die Welt der Lebenden summte, all diese Menschen, die vielen Erinnerungen, Stimmen und Leben, die sich miteinander verwoben, bis die Musik zu viel wurde, mehr ein statisches Rauschen als eine Melodie war. Eben dieses Summen in seinem Kopf.
    Du hast deine Fähigkeiten vorher nie so eingesetzt.
    Ja, genau, und er war auch nicht fähig gewesen, sich über diese mentalen Stränge zu teleportieren. Eigentlich war das ziemlich cool, aber ihn beschäftigte nur die Frage, wie und warum. Warum jetzt? Warum nahmen seine Fähigkeiten plötzlich so besonders zu? War er das wirklich oder war etwas anderes dafür verantwortlich?
    Vor sich sah er Licht. Es war sehr schwach, ein winziger Punkt, aber die anderen sahen es auch und drängten weiter. Dean hörte ein Knirschen, das trockene Schaben eines mächtigen Körpers, der über Steine glitt. Auf einmal stolperte Dean und brachte Miri und Robert damit abrupt zum Stehen.
    »Das ist er«, sagte Miri.
    »Er?«, murmelte Robert.
    »Ein Killer, ein Gestaltwandler, die Schlüsselfigur in diesem ganzen Chaos. Und er kann Gedanken lesen.« Dean sah Robert an. »Er wird bald wissen, dass wir kommen, wenn er es nicht längst schon gemerkt hat.«
    Weit vor ihnen schien der Tunnel zu explodieren. Dean sah einen grellen Lichtschein. Das Wasser um sie herum sprudelte über einen Spalt im Fels. Er hörte das Plätschern und Murmeln, gute, sanfte Geräusche. Die Schreie waren verstummt, das Schaben aber war weiterhin zu hören. Dann wurde das Licht plötzlich heller und flackerte über die Felswände unmittelbar vor ihnen.
    Er roch Weihrauch.
    »Wir sind wieder dort, wo wir losgegangen waren«, murmelte Miri. »Kevin und Ku-Ku haben das absichtlich gemacht. Sie haben uns in die Irre geleitet, weil sie hofften, dass wir getötet würden. Wir sind diesen ganzen beschwerlichen Weg gelaufen und hätten doch nur ...«
    Dean hob die Hand. Miris Blick war grimmig, Robert dagegen ließ sich nichts anmerken.
    »Wir können nicht zurückgehen«, erklärte er. »Der Ausgang ist derselbe. Und ich möchte auch nicht warten, bis ... er kommt.«
    »Ganz recht«, erwiderte Dean. »Die einzige Möglichkeit zu entkommen, besteht darin, sich schnell zu bewegen und außerhalb seines Blickfeldes zu bleiben. Ich glaube, das beeinflusst seine Möglichkeiten, Feuer zu spucken.«
    »Er ist ein Telepath«, wandte Miri ein. »Das bedeutet, er sollte sich eigentlich von gar nichts beeinflussen lassen.«
    »Ich habe nicht vor wegzulaufen«, sagte Robert.
    »Na, dann viel Glück. Ich hoffe, Sie können auch wieder aus einem Aschehaufen auferstehen.«
    »An einem Pfahl zu verbrennen dürfte eine ganz ähnliche Erfahrung sein«, erwiderte Robert finster grinsend und zog seine Pistole.
    Dean griff nach seiner eigenen Waffe. Er sah Miri an und dachte an ihre letzte Begegnung mit Lysander und daran, wie knapp es gewesen war. Dann dachte er an Leichen, an Asche, an Feuer, daran, wie er gebrannt hatte und selbst in Flammen gefangen gewesen war. Er hatte zwar überlebt, und möglicherweise hatte das auch etwas in ihm verändert. Doch diese neuen Fähigkeiten waren vielleicht nur zufällige Eigenschaften, die auch ebenso rasch wieder verschwinden konnten. Und außerdem wollte er Miris Leben nicht aufs Spiel setzen.
    Sie hielt sich mit ihrer warmen Hand an seinem Arm fest. Fast fühlte sie sich wie ein Gliedmaß seines Körpers an. Er hatte vergessen, wie das war; er hatte so viel vergessen. Robert hatte recht. Erinnerungen konnte man nicht trauen.
    Aber Miri hatte diesen störrisch entschlossenen Blick in den Augen, und Dean sah sie vor sich, zwanzig Jahre jünger, mit Zöpfen - und demselben Blick. Bereit zu kämpfen, bereit, ihm den Rücken freizuhalten. Dieser Gedanke brachte ihn fast um: vor Angst um sie.
    »Ich wünschte, du wärst nicht hier, Miri«, sagte er. »Das wünsche ich mir wirklich sehr.«
    Sie streichelte sein Gesicht. »Wir passen aufeinander auf. Und wir sind immerhin bis hierher gekommen, stimmt’s?«
    Es klang so einfach, wie sie es sagte. Dean wäre froh gewesen, wenn es so wäre. Er schloss die Augen. »Miri, wenn wir da sind, lauf. Keinen

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