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Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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versucht hatte, ihr Leben und vielleicht das von anderen zu retten. Geld konnte auch Leben retten. Und für schmutziges Geld zu rauben, das war doch nichts anderes als das, was jeder andere Grabräuber auch tat.
    »Miri«, sagte Dean. Sie erschauerte, als er ihren Namen aussprach. Visionen tanzten durch ihren Geist; sie hörte die Stimme, die flüsterte: Sonst wird er dich töten. Sie erinnerte sich an Deans Geständnis.
    Er hat mir gesagt, dass ich dich töten müsste.
    Die Haut zwischen ihren Brüsten brannte, aber Miri berührte die Stelle nicht. Stattdessen packte sie Deans Hand und drückte sie. So fest, dass er sie stirnrunzelnd ansah. Doch er sagte nichts, und Miri entspannte sich nach einem Augenblick auch wieder.
    Sie folgten dem Flusslauf, der in einem künstlich angelegten Bett durch die Kammer floss. Wäre es heller gewesen, hätte das sicher hübsch ausgesehen. Die Kammer, in der sie sich befanden, war sehr groß, fast eine Höhle, und Miri fragte sich wieder, diesmal laut, wie solch ein Ort unter einer der größten Metropolen der Welt existieren konnte.
    »Macht«, erwiderte Robert, als wäre es die einfachste Sache von der Welt. »Macht und Geld.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine, dass irgendjemand, vielleicht der, für den Kevin und Ku-Ku arbeiten, die Jade einmal in dieser Höhle gelagert hat. Ich nehme das an, weil sie so vertraut mit diesem Ort waren und weil gewisse Fakten, die ich dem jungen Gentleman entlocken konnte, so überaus zutreffend und hilfreich waren. Sie sind die Hüter dieses Artefakts. Die Beschützer, wenn Sie so wollen. Die Jade wurde zweifellos weggeschafft, aber ich bezweifle, dass das schon lange her ist. Sonst hätten die Erbauer dieses Ortes sich nicht so viel Mühe gegeben, sie zu bewachen. Doch um etwas zu bewachen, das sich an einem Ort befindet und aus welchen Gründen auch immer dort bleiben muss, bedarf es sehr großer Macht und einer Menge Geldes. Jedenfalls genug Macht, um Architekten und Bauherren und andere Beamte von gewissen Gebieten fernzuhalten, entweder, indem man sie in die Irre führt, oder durch Bestechung.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass wir es hier noch mit einer anderen Verschwörung zu tun haben?«
    »Die ganze Welt wird von Verschwörungen gelenkt, Dr. Lee. Verschwörungen sind die Motoren und Schöpfer der Geschichte.«
    »Und sie schreiben sie neu.«
    »Natürlich. So etwas wie historische Wahrheiten gibt es nicht. Die einzige Wahrheit ist die, die wir erleben und erfahren, der Moment. Sobald er Vergangenheit ist, wird er bereits durch unsere Herzen und unseren Verstand umgeformt. Die Vergangenheit bleibt nicht unverändert. Oder wahr. Sie ist Erinnerung, und Erinnerungen unterliegen dem Wandel, sind manipulierbar. Man kann Erinnerungen nicht trauen.«
    »Aber wir müssen uns doch auf etwas verlassen können«, protestierte Miri. »Die Geschichte unterweist uns, sie ...«
    »Sie besteht nur aus Märchen, die als Wahrheit gehandelt werden. Sie haben in den letzten vierundzwanzig Stunden so viel gesehen, Dr. Lee. Und doch wird nichts davon, nichts von dem hier, jemals als Mittel oder Werkzeug der Überlieferung für die Nachwelt dienen können. Vielleicht hilft es Ihnen, das gewiss, aber niemandem sonst. Aus der Geschichte lernen, Dr. Lee? Ich glaube, es ist besser, wenn man von sich selbst lernt. Mehr Geschichte ist gar nicht nötig.«
    Miri hätte gern noch etwas dazu gesagt und konnte spüren, dass auch Dean einen kernigen Spruch auf der Zunge hatte, aber Robert blieb das letzte Wort vorbehalten.
    »Habe ich da gerade einen Schrei gehört?«, fragte er.

15
    Sie rannten. Das Wasser wies ihnen den Weg, und sie achteten, so gut sie konnten, auf Fallen, auf Gefahren; aber die Schreie waren zu laut, zu schrecklich, um vorsichtig vorzugehen. Es waren die Schreie Sterbender, Schreie von Menschen, die zerfetzt wurden. Dean hatte so etwas in seinem ganzen Leben noch nicht gehört.
    Sie liefen durch die Höhle, die sich schließlich um den Flusslauf herum verengte und ihnen kaum noch Platz ließ. Die Decke wurde niedriger, die Wände waren rau und dunkel, der Boden flach. Doch weiter entfernt von der Mitte des Raumes, dem Altar, wurde er uneben, und Miri stolperte. Dean hielt sie am Ellbogen. An seiner Seite fühlte sie sich klein, warm. So warm, wie seine Brust war, das Mal über seinem Herzen, das wie Feuer glühte.
    Dean änderte seine Vision, suchte nach Spuren von jemandem, der erst kürzlich hier entlanggegangen war. Aber er sah nichts; nur

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