Geliebte des Feuers
»Das ist sehr schlecht für uns alle.«
»Für euch alle?«, wiederholte sie.
Dean zögerte. »Ich arbeite tatsächlich für eine Detektivagentur, Miri. Sie unterscheidet sich von anderen nur dadurch, dass mein Arbeitgeber einen Haufen von ... besonderen Leuten engagiert hat. Leuten wie mich.«
»Oh.« Und dann begriff sie plötzlich. Zwar nicht bis ins letzte Detail, aber die Dinge fügten sich zusammen: Deans lockere Art, all diese verrückten Sachen zu akzeptieren, die passiert waren, die Leichtigkeit und Sicherheit, mit der er seine Gabe benutzte, seine souveräne Art, durch das Bizarre und die Illegalität zu navigieren ...
»Du hast andere gefunden, solche Menschen wie dich«, sagte sie.
»Sie haben mich gefunden«, entgegnete er. »Natürlich weiß niemand von der besonderen Art dieser Agentur. Alles ist geheim, und wir erledigen auch ganz gewöhnliche Detektivarbeit. Wir suchen entführte Leute, lösen Mordfälle. Diese Arbeit ist aber nur eine Tarnung, unter deren Schutz wir unsere Fähigkeiten einsetzen können, um Menschen zu helfen. Du weißt schon, ohne dass man uns Freaks nennt oder uns ständig anglotzt.«
»Oder studiert.«
»Oder studiert«, erwiderte er leise. »Ja, genau deshalb wurde ich nach Taiwan geschickt. Wir wussten, dass der Mörder auch ... einer wie wir ist, und ich sollte ihn unter Kontrolle bringen. Damit er es nicht für alle anderen vermasselt.«
»Und jetzt sieh nur, in was für einen Schlamassel du geraten bist.«
»Der Schlamassel hat mich immerhin zu dir geführt. Ich habe keinen Grund, mich zu beklagen.«
Er klang, als meinte er jedes Wort ernst. Miri sah ihn an, starrte ihn förmlich an, bis er auf die Straße deutete und ihr ins Lenkrad griff. Der Wagen schwankte, Miri fluchte leise und riss das Steuer herum, bevor sie in den Gegenverkehr gerieten. Dean ließ zwar das Lenkrad wieder los, nahm seine Hand jedoch nicht weg. Er strich mit den Fingern über ihre Hand und berührte dann sacht ihr Handgelenk.
»Kommst du damit klar?«, fragte er.
»Ich komm schon klar!«, fuhr sie ihn an. »Ich bin nur ein bisschen nervös, das ist alles.«
»Das habe ich nicht gemeint. Ich meinte das hier, uns, mich. Du hast mich angesehen ... als würdest du mir kein einziges Wort glauben.«
»Würde dich das sehr stören, wenn es so wäre?«
»Ja. Ich bin nicht dein Feind, Miri.«
»Gut«, erwiderte sie. »Das freut mich wirklich.«
Dean ließ sie los. »Ich begreife es einfach nicht. Eben noch benimmst du dich, als wären wir wieder Freunde, und dann ... Himmel, du gibst mir das Gefühl, als sollte man mir Handschellen anlegen.«
»Und? Soll ich vielleicht Schuldgefühle bekommen, nur weil du dich meinetwegen schlecht fühlst?«
»Natürlich nicht. Ich verstehe nur nicht, warum du glaubst, ich würde dir etwas vorgaukeln. Zum Teufel, wenn ich dir hätte wehtun wollen, dann hätte ich das doch längst schon gemacht.«
Das glaubte sie ihm. Miri umfasste das Lenkrad fester, versuchte die richtigen Worte zu finden. Sie wollte unbedingt, dass er sie verstand. Aber das Einzige, was sie spürte, war ein fast überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit.
Sie ließ das Fenster herunter. Die Lüftung des Vans konnte gegen die Hitze nichts ausrichten, und selbst die feuchte Luft von draußen war besser als die abgestandene, stickige im Wageninneren. Schweiß lief ihr über den Rücken und das Gesicht. Sie fühlte sich klebrig, verschmiert und stinkig. Es war die Furcht, die ihr Körper ausschwitzte. Sie genoss den Fahrtwind auf ihrem Gesicht, Tränen stiegen ihr in die Augen.
Eine Hand legte sich auf ihren Hinterkopf. Sie war ebenfalls warm, allerdings auf andere Art: trocken und tröstlich.
»Es war eine harte Nacht«, sagte Dean.
»Wir haben schon andere harte Nächte erlebt«, flüsterte sie. »Aber diese hier ist schlimmer.«
»Ja.« Er zögerte und zog schließlich etwas aus der Tasche. Es war die Figur von Glen Campbell. Er hielt sie in der Hand und schloss die Augen. Miris Blick glitt wieder von der Straße zu seinem Gesicht. Sie bemerkte die allmähliche Veränderung in seiner Miene, das Stirnrunzeln, die Falte zwischen seinen Augen, die immer tiefer wurde. Vor Furcht krampften sich ihre Eingeweide zusammen.
»Dean«, flüsterte sie. Aber er sagte nichts, sondern drückte seinen Kopf in die Hände, hielt die Statue mit geschlossenen Augen an seine Haut und wiegte sich auf seinem Sitz hin und her. Miri bremste, fuhr rechts ran und hielt an, wo es in eine Wohnstraße ging,
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