Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte des Feuers

Geliebte des Feuers

Titel: Geliebte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
ich nicht zulassen.«
    »Deshalb hast du dir die Kugel eingefangen«, flüsterte sie. »Dann hat er Angst bekommen und mich ebenfalls erschossen.«
    Sie erinnerte sich noch an den Knall, an das Gefühl des  Regens auf ihrem Kopf, als sie halbnackt auf der Straße stand und zusah, wie Dean ausflippte, da er ihr helfen wollte. Wie sie ihn anschrie, damit aufzuhören, dass es sein Leben nicht wert wäre, dass sie das schon schaffen würde - was eine Lüge war. Aber sein Leben war diese Lüge wert. Sie erinnerte sich auch noch an das Blut, den Schmerz, wie sie fiel, immer tiefer fiel, in eine Dunkelheit und ein Licht. Selbst da hatte sie gespürt, wie ihr Herz zerrissen wurde. Im Tod lag kein Frieden. Nur Bedauern.
    »Ich war noch wach, als du gestorben bist«, sagte Dean. »Ich konnte fühlen, wie dein Herz unter meiner Hand aufhörte zu schlagen. Dann kam der Krankenwagen, und irgendwie konnte ich aufstehen und weggehen. Ich weiß nicht, weshalb ich mich bewegen konnte, aber ich bin weggegangen, weil du tot warst und ich auch sterben wollte, weil ich es nicht ertragen konnte und dieser Mistkerl immer noch lebte. Dieser Mann ist auch weggelaufen. Er ist einfach weggelaufen.«
    Und du hast ihn gefunden, dachte Miri, denn sie konnte hören, was er nicht sagte, sie las es in seinem Blick; fast hätte sie deswegen noch mehr geweint, weil sie wusste, was er getan hatte.
    »Du hättest nach Hause kommen können«, warf sie ein.
    »Nein. Nicht nach dem, was passiert war.«
    »Du dachtest, Ni-Ni würde dir die Schuld an meinem ... meinem Tod geben?«
    »Ich wusste es.«
    Sie sahen sich an, und den Ausdruck in Deans Augen kannte sie von früher, ein Mitgefühl, das er einmal nur für sie empfunden hatte, in jenen ersten Tagen, die zu Wochen, Monaten und Jahren geworden waren. Bis sich ihre Freundschaft eines Tages zu etwas Tieferem entwickelt hatte, ohne dass sie darüber zu sprechen brauchten; als  Händchenhalten plötzlich mehr bedeutete als Armdrücken oder Spielerei und eine Wärme durch ihren Körper jagte, die nichts mit der Hitze der Sonne zu tun hatte oder dem alten Herd in der Küche ihrer Großmutter.
    Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. All diese vergeudeten Jahre, in denen sie von etwas träumte, das sie für immer verloren geglaubt, und nur Sehnsucht gespürt hatte: dieses alte Verlangen. Denn obwohl sie so jung gewesen war, fast noch ein Kind, hatte sie gewusst, dass dieses Gefühl für immer und ewig war.
    Dean beugte sich so dicht zu ihr, dass sie einen Moment lang glaubte, er würde sie küssen. Stattdessen streichelte er sanft ihre Wange. Die Haut seiner Finger war weich und glatt, und Miri lehnte sich unwillkürlich gegen ihn. Es war nicht zu viel, und gleichzeitig viel zu wenig. Sie sagte nichts, konnte es nicht. Die alten Erinnerungen waren zu stark, als dass sie sie hätte in Worte fassen können.
    »Ich habe dich vermisst, Miri«, flüsterte er schließlich. »Mein Gott, habe ich dich vermisst!«
    Miri schloss die Augen. Sie konnte seinen Blick nicht ertragen; er war offen und absolut aufrichtig. Ich habe dich auch vermisst, ich habe dich auch so vermisst. Sie wollte dasselbe sagen, aber stattdessen kamen andere Worte aus ihrem Mund, härtere Worte. »Es hat Ni-Ni das Herz gebrochen, Dean. Sie war nie wieder dieselbe, nachdem du verschwunden bist.«
    Ihre Großmutter war allerdings ganz und gar nicht dieselbe gewesen, obwohl sie versucht hatte, es zu verbergen. Sie tat sogar so, als erwartete sie Besuch, benutzte diese Lüge als Vorwand, um noch einen Teller auf den Tisch zu stellen oder eine Extraportion Reis in den Topf zu geben. Oder dass sie die Tür abends länger offen stehen ließ, als es für ihre Sicherheit gut war, dass sie mitten in der Nacht herumlief und aus dem Fenster starrte, als könnte sie Dean dort finden, mittels Magie von den Toten zurückgeholt, durch ihre reine Willenskraft. Sie hatte den Jungen nämlich auch geliebt, sogar mehr als ihren eigenen Sohn.
    »Miri«, flüsterte Dean. Seine Stimme klang immer noch gebrochen, so wie auch ihr Herz einst gebrochen gewesen war, und erneut stiegen ihr heiße Tränen in die Augen. Miri konnte den Schmerz kaum ertragen, zwang sich aber dazu, weil es Dean war und er hier neben ihr saß. Vor ihm würde sie nicht schwach werden. Nicht jetzt. Sie weigerte sich einfach.
    »Sie hat um dich getrauert«, sagte sie und schluckte schwer. »Rückblickend denke ich: Sie hat vielleicht sogar gewusst, dass du noch am Leben warst, vielleicht wusste sie ja

Weitere Kostenlose Bücher