Geliebte des Schattens - Kenyon, S: Geliebte des Schattens - Seize the Night (Dark Hunter 07)
du ihr nicht die Gelegenheit, sich das ganze Bild anzusehen.«
Ash wandte sich dem Spiegel zu. »Ich werde dich nicht belügen, Tabby, oder versuchen, deine Meinung zu beeinflussen. Das hier ist weder Zareks noch Valerius’ Erinnerung, sondern die reine, ungeschönte Wahrheit dessen, was passiert ist.«
Wieder sah sie den jungen Valerius, als ein Mann in einer Toga vortrat, dem Zarek zum Verwechseln ähnlich sah. Es musste sich um ihren Vater handeln.
Lachend tätschelte er Valerius die Schulter. »Genau so, Sohn. Immer dorthin schlagen, wo sie am verwundbarsten
sind. Du wirst eines Tages einen erstklassigen General abgeben.«
Der kleine Zarek starrte die beiden an, als würde er sie am liebsten auf der Stelle ermorden. Sein Vater riss Valerius die Peitsche aus der Hand und begann, sie erneut auf Zarek herabsausen zu lassen.
Schluchzend stürzte Valerius aus dem Zimmer. Er sah aus, als würde er sich gleich übergeben, als er durch den alten römischen Innenhof stolperte, bis er vor einem riesigen Springbrunnen in der Mitte des Atriums zusammenbrach. Er legte die Arme auf die steinerne Mauer und ließ den Kopf darauf sinken.
»Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid«, schluchzte er wieder und wieder.
Sein Vater kam aus dem Haus gelaufen.
»Valerius!«, herrschte er den Jungen an. »Was tust du da?«
Valerius antwortete nicht. Sein Vater zerrte ihn an den Haaren vom Boden hoch.
Das Entsetzen auf den Zügen des Jungen fuhr Tabitha durch Mark und Bein.
»Du erbärmlicher kleiner Wurm«, ätzte der Vater. »Ich hätte dich Valeria taufen sollen. Du bist ein Waschweib, kein Mann.«
Sein Vater verpasste ihm eine so schallende Ohrfeige, dass die Vögel über ihnen vor Schreck aufstoben und Valerius von der Wucht des Hiebes nach hinten geschleudert wurde.
Seine Nase und Wange bluteten, als er sich vom Boden hochzustemmen versuchte, doch ehe es ihm gelang, ließ sein Vater die Peitsche auf ihn niedersausen, worauf der Junge wieder auf dem Boden zusammensank.
Trotzdem schlug sein Vater weiter auf ihn ein.
Schützend schlang Valerius die Hände über den Kopf, während die Hiebe auf seinen kleinen Jungenkörper niedergingen.
»Steh auf«, schnauzte sein Vater ihn nach zwanzig Peitschenhieben an.
Valerius weinte so sehr, dass er kein Wort herausbekam.
Brutal trat sein Vater ihm in die Rippen. »Los, hoch mit dir, sonst verpasse ich dir noch mal zwanzig Hiebe.«
Tabitha hatte keine Ahnung, wie es ihm gelang, wieder auf die Füße zu kommen, doch schließlich stand Valerius schlotternd und mit blutigem, schmutzverkrustetem Gesicht vor seinem Vater.
Der ältere Mann packte ihn an der Kehle und stieß ihn gegen eine Hausmauer, sodass sein von Striemen überzogener Rücken daran entlangstreifte.
Sie wand sich vor Schmerz, während sie sich vorzustellen versuchte, wie ein so kleiner Junge eine derartige Tortur überstehen konnte, ohne zusammenzubrechen.
»Du wirst hier stehen bleiben, bis es dunkel wird, und wenn du es wagst, auch nur ein paar Zentimeter in die Knie zu gehen, werde ich dich jeden Tag windelweich prügeln, bis du gelernt hast, dem Schmerz standzuhalten. Hast du mich verstanden?«
Der kleine Valerius nickte.
»Markus?«, schrie sein Vater.
Ein weiterer Junge, der trotz einiger Jahre Altersunterschied Valerius zum Verwechseln ähnlich sah, kam aus dem Haus gelaufen. »Ja, Vater?«
»Du passt auf deinen kleinen Bruder auf. Wenn er
sich hinsetzt oder auch nur vom Fleck rührt, holst du mich.«
Markus lächelte, als hätte sein Vater ihm soeben ein Geschenk überreicht. »Das werde ich, Vater.«
Ihr Vater machte kehrt und verschwand. Sobald er außer Sichtweite war, wandte Markus sich Valerius zu und begann zu lachen. »Armer kleiner Val«, frotzelte er. »Ich frage mich, was Vater mit dir anstellen wird, wenn du hinfällst.« Markus trat ihm in die Magengrube.
Valerius stöhnte vor Schmerz, rührte sich jedoch nicht vom Fleck.
Das schürte Markus’ Wut nur umso mehr. Grollend trat er ein zweites Mal zu. Valerius begann, sich zu wehren, doch es nützte nichts. Innerhalb kürzester Zeit hatte Markus ihn auf dem Boden.
»Vater!«, rief Markus und rannte zur Tür, durch die der Vater verschwunden war. »Er ist umgefallen!«
Tabitha wandte sich entsetzt ab. Sie hatte seinen Rücken gesehen, war mit den Fingern über die Narben gestrichen, die er mit solcher Würde und Duldsamkeit trug.
Er hasste seinen Vater aus tiefster Seele, und doch hatte er nie ein schlechtes Wort über ihn
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