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Geliebte Feindin

Geliebte Feindin

Titel: Geliebte Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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er das niemals zugeben würde. Alle Frauen wußten instinktiv, daß Männer gegen Tränen machtlos waren und nutzten diese Schwäche skrupellos aus. Sie weinten immer, wenn sie etwas erreichen wollten.
    Sara holte tief Luft. Sie wagte nicht, noch ein Wort zu sagen, bevor sie die Fassung zurückgewonnen hatte. Hatte er tatsächlich geglaubt, sie würde ihn um etwas bitten? Bei Gott, er war der abscheulichste Mann, der ihr jemals begegnet war, und er schüchterte sie ein. Er schien nicht einen Funken Mitgefühl zu besitzen.
    Sie taxierte ihn ausgiebig, während sie versuchte, all ihren Mut zusammenzuraffen, um ihm die vielen Fragen zu stellen, die sie schon so lange quälten. Sie bezweifelte zwar, daß er ihr die Wahrheit sagen würde, aber sie wollte aus seinem eigenen Mund hören, was er zu seiner Verteidigung vorzubringen hatte.
    Sie sah wirklich aus, als ob sie gleich losheulen würde. Zur Hölle, Nathan hoffte nur, daß sie nicht wieder die Besinnung verlor. Er hatte wenig Geduld mit dem schwachen Geschlecht, und er nahm sich vor, Saras Furcht ein wenig zu dämpfen, um weitere Ausbrüche zu vermeiden. Insgeheim empfand er sogar Mitleid mit ihr. Natürlich konnte sie sich mit dieser Ehe nicht so ohne weiteres abfinden, schließlich war er ein St. James, und sie war als eine Winchester aufgewachsen. Sicherlich hatte man ihr von klein auf beigebracht, ihn zu hassen … Das arme Kind war ein Opfer der Politik und nur ein Bauer auf dem Schachbrett eines verrückten Königs gewesen, der zwei verfeindete Familien durch eine Kinderehe hatte versöhnen wollen.
    Aber er konnte das, was in der Vergangenheit vorgefallen war, nicht ungeschehen machen. Er hatte den Ehevertrag unterschrieben, und er fühlte sich daran gebunden.
    »Du solltest begreifen, daß ich diese Ehe nicht auflösen werde«, verkündete er mit harter Stimme. »Jetzt nicht und auch nicht in Zukunft.«
    Nach dieser Eröffnung war ein Nervenzusammenbruch unvermeidlich, und Nathan wartete ohne erkennbare Gemütsregung auf das, was kommen mußte.
    »Was hat Euch so lange aufgehalten?« flüsterte sie so leise, daß er nicht einmal sicher sein konnte, ob er sie richtig verstanden hatte.
    »Was hast du gesagt?«
    »Warum habt Ihr so lange gewartet?« fragte sie bei weitem strenger.
    »Womit?«
    Er sah sie verständnislos an, und sie setzte nach einem tiefen Seufzer von neuem an: »Weshalb seid Ihr nicht schon früher gekommen?« Ihre Stimme zitterte, und Sara verkrampfte die Hände ineinander.
    Er war so überrascht, daß er nicht sofort antworten konnte. Er hätte nie im Traum daran gedacht, daß ihr Stolz eine solche Frage zuließ.
    »Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie lange ich auf Euch gewartet habe?« fuhr sie mit zitternder Stimme fort.
    Nathans Augen weiteten sich vor Erstaunen – sie hatte doch tatsächlich den Mut, ihn zurechtzuweisen! Er starrte sie in einer Weise an, daß sie schon fürchtete, er hätte den Verstand verloren. Er schüttelte langsam den Kopf, und diese Geste raubte ihr vollends die Fassung.
    »Nein?« rief sie. »War ich so unbedeutend für Euch, daß Ihr es nie der Mühe wert befunden habt, Euch um mich zu kümmern?«
    Nathan war sprachlos, und obwohl er wußte, daß er auf keinen Fall dulden konnte, daß sie die Stimme gegen ihn erhob, fiel ihm keine passende Antwort ein. Schließlich murmelte er: »Willst du damit sagen, daß du wütend auf mich bist, weil ich dich nicht früher zu mir geholt habe?«
    Sara griff nach dem erstbesten Gegenstand, der sich in ihrer Nähe befand. »Wütend?« fauchte sie erbost. »Wie kommt Ihr darauf, daß ich wütend sein könnte?«
    Nathan wich dem – glücklicherweise leeren – Nachttopf, der an seinem Kopf vorbeizischte, ebenso aus wie den beiden Kerzenleuchtern, die ihm folgten.
    »Oh, ich weiß nicht, aber auf mich machst du den Eindruck, als ob du ziemlich aufgebracht wärst«, erklärte er seelenruhig.
    »Als ob ich …« Sie war so außer sich, daß sie kein Wort mehr herausbrachte. Nathan grinste unverschämt, als er den Satz an ihrer Stelle ergänzte: »… aufgebracht wäre.«
    »Habt Ihr eine Pistole?«
    »Ja.«
    »Könntet Ihr sie mir borgen?«
    Er verbiß sich mühsam das Lachen. »Wozu brauchst du eine Pistole, Sara?«
    »Ich möchte Euch erschießen, Nathan.«
    Jetzt konnte er nicht mehr an sich halten und lachte lauthals. Sara haßte ihn mehr denn je und hätte am liebsten vor Zorn und Enttäuschung geweint. Vielleicht hatten ihre Verwandten doch recht gehabt, und er verachtete sie

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