Geliebte Feindin
sie vor der karibischen Insel vor Anker gingen, erfuhr Sara, daß ihr Mann mehr als nur zwei Titel hatte. Er war nicht nur der Marquis of St. James und der Earl of Wakersfield.
Er war auch Pagan.
Sie war so niedergeschlagen, daß sie aufs Bett sank.
Sie hatte das Gespräch wirklich nicht belauschen wollen, aber die beiden Seemänner hatten direkt neben der geöffneten Falltür über ihrer Kajüte gestanden und ziemlich laut geredet. Erst als ihre Stimmen leiser geworden waren, hatte Sara die Ohren gespitzt.
Erst hatte sie ihre Zweifel gehabt, aber als Matthew zu den beiden stieß und sagte, daß die Beute von ihrem letzten Ausflug aufgeteilt würde, wurde sie unsicher.
Im Grunde erschrak sie eher, als daß Entsetzen sie packte. Ihre einzige Angst galt Nathan, und jedesmal, wenn sie daran dachte, was er bei seinen Piratenabenteuern riskierte, wurde ihr übel. Ein düsterer Gedanke jagte den anderen. Sie sah ihn vor sich, wie er auf eine Strafgaleere geführt wurde, aber sie zwang sich immer wieder, diese Schreckensvorstellung zu verdrängen.
Trotz allem, was sie gehört hatte, war sie nicht gänzlich überzeugt von der schrecklichen Wahrheit, bis Chester die Bemerkung fallenließ, daß er verdammt froh sei, die Tage als Pirat hinter sich lassen zu können. Die meisten von ihnen, so fügte er hinzu, seien ohnehin reif für ein ruhiges Familienleben, und dafür hätten sie ja jetzt alle genügend Gewinn bei den Beutefahrten gemacht.
Sara war so erleichtert, daß sie in Tränen ausbrach. Sie mußte sich keine Sorgen mehr um Nathans Sicherheit machen; er war von allein zur Vernunft gekommen. Sie konnte den Gedanken an ein Leben ohne ihn nicht ertragen – sie liebte ihn schon so lange, und ohne seine Temperamentsausbrüche und die erfüllenden Liebesnächte wäre ihr Dasein öde und leer.
Trotzdem fürchtete sie noch, daß ihm etwas zustoßen könnte. Auf seinen Kopf war eine immens hohe Belohnung ausgesetzt, und es konnte gut möglich sein, daß einer seiner Männer ihn verriet, weil er begierig auf das Geld war. Diesen Gedanken verwarf sie aber gleich wieder, als ihr einfiel, wie ergeben und treu jeder einzelne seiner Besatzung war.
Aber es war ohnehin egal, was in Zukunft geschah – sie würde standhaft an der Seite ihres Mannes bleiben und ihn so gut wie möglich gegen alle Bedrohungen verteidigen.
Ob wohl Matthew Nora anvertraut hatte, womit er sein Leben verbracht hatte? Und hatte er ihr erzählt, daß Nathan und der gefürchtete Pagan ein und dieselbe Person waren? Sara nahm sich vor, ihre Tante nie danach zu fragen, denn sie wollte mit niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen darüber reden.
Nathans Geheimnis war bei ihr so sicher aufgehoben wie in einem Grab.
Als Nathan zu Sara kam, um sie abzuholen, saß sie auf dem Bett und starrte ins Leere. In der Kajüte war es heiß wie bei einer Feuersbrunst, aber Sara zitterte am ganzen Leib. Er befürchtete sofort, daß ihr etwas fehlte, zumal ihr Gesicht weiß wie die Wand war und sie – ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit – kein Wort sagte.
Sein Verdacht wurde bestätigt, als sie schweigend in das Ruderboot stieg, das sie zum Pier brachte. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und schien sich nicht im geringsten für ihre Umgebung zu interessieren.
Nora hatte direkt neben Sara Platz genommen und plauderte munter drauflos. Sie tupfte ihre Stirn mit einem Taschentuch ab und versuchte, sich mit einem Fächer Kühlung zu verschaffen. »Es braucht ein oder zwei Tage, bis man sich an die Hitze gewöhnt«, sagte sie und fuhr ohne Unterbrechung fort:
»Nathan, in der Nähe meines Hauses gibt es einen wunderschönen Wasserfall, der in ein Becken stürzt, das glänzend zum Schwimmen geeignet ist. Dort müßt Ihr mit Sara hingehen und ihr das Schwimmen beibringen.« Sie wandte sich an ihre Nichte und stupste sie an. »Wär’ das nicht schön?«
»Verzeih«, murmelte Sara. »Ich habe nicht zugehört.«
»Sara, wovon träumst du?« wollte Nora wissen.
»Ich habe nicht geträumt«, erwiderte Sara und starrte Nathan mit gerunzelter Stirn an.
Nathan wußte immer noch nicht, was er von ihrem Benehmen halten sollte und sagte: »Sie fühlt sich nicht wohl.«
»Mir geht es ausgezeichnet«, widersprach Sara spitz.
Noras Miene drückte Erstaunen aus. »Macht dir die Hitze zu schaffen?«
»Nein«, seufzte Sara. »Ich habe nur nachgedacht über einige … Dinge.«
»Über spezielle Dinge?« bohrte Nora weiter.
Sara ließ Nathan noch immer nicht aus den Augen,
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