Geliebte Kurtisane
zahlreichen Kurtisanen zurate gezogen. Er gehört nicht zu jenen, die abfällige Bemerkungen machen oder uns schlecht behandeln.“
Er strich über ihre Stirn, streichelte ihre Wange und wusste weiterhin nicht, was er sagen sollte.
„Es war so dumm von mir.“ Die Stimme versagte ihr. „Als ich feststellte, dass ich schwanger war, hatte ich solche Angst. Ich wusste weder ein noch aus. Aber … insgeheim freute ich mich auch. Ich war froh, nicht länger allein zu sein.“
Auch darauf wusste er nichts zu sagen.
„Die Entscheidung nahm er mir ab, ohne mich zu fragen. Ich stand so sehr in seiner Macht, fühlte mich so schwach und nichtig, dass ich nicht mal über meine eigene Zukunft entscheiden konnte.“ Sie zitterte am ganzen Leib, ihre Hände bebten in den seinen. „Wann immer ich daran denke … Alles habe ich überlebt, doch das … es hätte mich schier umgebracht.“ Sie schluchzte.
„Jessica. Bitte weine nicht. Du hast es überlebt, und dafür werde ich immer dankbar sein.“
„Ich wusste, dass ich so nicht weitermachen konnte. Ich konnte nicht länger als Kurtisane leben. Deshalb musste ich dich verführen – ich brauchte das Geld, denn ich wollte nicht zurück. Ich konnte nicht zurück.“
„Nicht weinen“, sagte er. „Mach dir deswegen keine Sorgen mehr. Das verstehe ich.“
„Das war noch nicht alles. Der Arzt sagte mir, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach keine Kinder mehr bekommen könne. Aber du willst eine Familie. Ich weiß nicht, ob ich dir eine schenken kann.“
Wieder musste Mark an jene dunkle, verlassene Gasse denken. „Letztlich gibt es genügend Kinder, die Eltern brauchen“, meinte er. „Und was eine Familie angeht … Ich habe eine Familie. Es würde mich freuen, sie mit dir zu teilen.“
„Aber was würde deine Familie dazu sagen, wenn du mich heiratest?“ Ihre Finger gruben sich in seinen Arm. „Der Mann, der mir das angetan hat … war George Weston.“
„George Weston?“, wiederholte Mark ungläubig. Das durfte ja wohl nicht wahr sein. „ Der George Weston?“
„Sollten wir heiraten, könnte ich ihm nicht länger aus dem Weg gehen. Er gehört deinen Kreisen an.“ Sie packte ihn am Arm. „Er hasst dich, er würde jedem erzählen, wer ich war. Du kannst noch so oft behaupten, dass du meiner in Sünde ebenbürtig seiest, die Gesellschaft wird anderer Ansicht sein. Das weißt du.“
„Zum Teufel mit der Gesellschaft“, fluchte Mark. „Was kümmert es mich?“
„Aber mich kümmert es. Würde ich in deinen Kreisen verkehren, könnte ich ihm nicht entkommen. Ich könnte mir selbst nicht entkommen. Ich will aber nicht andauernd daran erinnert werden. Ich würde es nicht ertragen.“
Zu seinem ungläubigen Entsetzen gesellte sich ein weiteres Gefühl, das stetig in ihm wuchs. Zorn. Er glühte vor Zorn. Sein Zorn war maßlos und würde ihn verzehren, so er ihn ließe. Dass Weston eine Belohnung auf Marks Verführung ausgesetzt hatte, war frevelhaft genug, doch was er Jessica angetan hatte, war unverzeihlich. Mark musste daran denken, wie Jessica vor ihm, vor seiner Berührung zurückgezuckt war. Kein Wunder. Weston hatte sie auch ohne Fäuste geschlagen, sich ohne alle Gewalt an ihr vergangen. Ja, er hätte sie fast umgebracht.
„Zum Teufel mit Weston“, hörte Mark sich grimmig sagen. „Zum Teufel mit alledem. Uns fällt schon etwas ein.“
„Es gibt kein ‚uns‘.“
Für sie vielleicht nicht. Nun war aber nicht die Zeit, um Worte zu streiten. Nein, er hatte bessere Argumente. Nun war die Zeit, sie in den Armen zu halten und ihr Trost zuzusprechen. Nun war die Zeit, ihren Nacken zu liebkosen und ihr zu versichern, dass alles gut werde.
„Ich werde dich nicht verlassen, weder um meiner Reputation noch um meines Vermögens oder meines Seelenheils willen. Lass uns am Morgen darüber nachdenken. Ich sehe nicht ein, warum ich dich aufgeben sollte, nur weil dieser Mann ein ausgemachter Schuft ist.“
„Und wenn ich dich bitte zu gehen?“
Ein Lächeln huschte über seine Lippen, und er schüttelte den Kopf. „Vergiss es.“
All ihren Worten zum Trotz spürte er ihr Lächeln an seiner Schulter.
Ruhe. Frieden. Mäßigung.
Das waren die Gebote der Stunde, das brauchte sie jetzt von ihm. Tief in seinem Innern vernahm er aber bereits das leise Grollen aufziehenden Unheils.
Morgen, sagte er sich. Jetzt Ruhe bewahren, morgen dann die Vergeltung.
19. KAPITEL
D er Morgen nahte allzu rasch und mit ihm die Zeit für Marks Racheplan. Sein Opfer war
Weitere Kostenlose Bücher