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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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der Weg viel länger vor. Fast widerwillig näherte er sich seinem Haus. Kalt und leer würde es sein, erfüllt nur von den Geistern seiner Kindheit. Nicht gerade der Frieden, den er sich hier erhofft hatte und dessen er bedurfte, um sein Leben in geordneten Bahnen zu halten.
    Als Kind hatte er Frieden kaum gekannt. Doch stets hatte es Zeiten gegeben, in denen er sich hatte zurückziehen und dem Wahnsinn um ihn herum eine Weile hatte entkommen können. Wann immer seine Ängste ihn seither zu überwältigen drohten, fand er Trost und fast schon himmlische Ruhe darin, sich jene Psalmen vorzusagen, an die er sich noch aus Kindertagen erinnerte.
    Siehe, du hast Lust zur Wahrheit, die im Verborgenen liegt; du lässest mich wissen die heimliche Weisheit.
    Die Worte waren wohltuend, vertraut. Eine leise gemurmelte Beschwörung an seinen wankelmütigen, maßlosen Geist.
    Lass mich hören Freude und Wonne. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, gewissen Geist.
    Das wünschte er sich vor allem – ein Gefühl der Erneuerung, keine Furcht mehr vor seinen eigenen Gedanken. Doch wollte sich kein Frieden einstellen. Nichts mochte seinen inneren Aufruhr besänftigen. Keine Ruhe, keine Gelassenheit. Seine Gedanken tobten und tosten in ihm.
    Unermüdlich schritt er auf dem Uferweg aus, bis er den vertrauten Umriss seines Hauses in der Dämmerung erkennen konnte. Alles war genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Grau und düster lag es da, verschmolz fast mit dem morastigen, farnbestandenen Grund. Die Feuchtigkeit kroch in das alte Gemäuer. Heute Nacht wäre es kalt und ungemütlich, einsam und trostlos. Mark seufzte. Zum ersten Mal wünschte er, einer seiner Brüder hätte ihn nach Shepton Mallet begleitet.
    Ein paar Schritte vor der Haustür nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr.
    Er drehte sich um.
    Einen Moment schien die Zeit stillzustehen, als wäre der stete Mahlstrom seines Verdrusses zu Eis erstarrt. Als wäre alles, worüber er mit sich selbst gerungen hatte, mit einem Mal hinfällig. Als wäre sie ihm als Antwort auf seine Verzweiflung erschienen.
    Sie schenkte ihm keine Ruhe, keinen Frieden. Wenn er Maßlosigkeit verabscheute, sollte ihr Anblick ihm zuwider sein.
    Dem war aber nicht so.
    Jessica , raunte sein Körper.
    „Mrs Farleigh“, sagte er, ganz wie es sich gehörte.
    „Sir Mark.“ Sie trug einen Umhang, der ihr bis zu den Knöcheln reichte. Den Kopf hielt sie gesenkt. Weniger aus Ehrfurcht oder Scheu, wie ihm schien, sondern so, als trage sie an einer schweren Last. Als sie aufschaute, suchte sie seinen Blick.
    Nachdem er den Ausdruck darin gesehen hatte, diesen traurigen, getriebenen Blick, wäre er am liebsten zu ihr gegangen und hätte sie in seine Arme geschlossen. Andererseits wollte er auf dem Absatz kehrtmachen, sich ins Haus flüchten und die Tür vor ihr verriegeln. Niemals wieder wollte er Leid empfinden. Er wollte alles besser machen. Er wusste nicht, ob sie ihm als Antwort auf sein verzweifeltes Flehen geschickt worden war oder als schlimmste aller Versuchungen.
    „Ich weiß, wie unschicklich es scheinen muss“, sagte sie. „Zumal nach dem, was sich heute zugetragen hat. Ich weiß, was Sie denken müssen. Doch bin ich nicht gekommen, um unsere vorherige Begegnung zu … vertiefen. Wirklich nicht. Ich kam, weil ich sonst niemanden habe, an den ich mich wenden könnte.“
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu, und nun sah er, wie angespannt ja, verzweifelt sie war. Ihre Hände zitterten. Sie litt unter großem Kummer, der ihm nicht gespielt schien.
    „Mrs Farleigh“, sagte er noch einmal. Er sollte sie wegschicken. Eben erst hatte er beschlossen, dass es das Beste wäre, nichts mehr mit ihr zu tun zu haben. Er könnte ihr raten, sich beim Pfarrer ihres Kummers zu entledigen. Dazu waren Pfarrer da, und er hätte eine Sorge weniger.
    Von wegen. Lewis würde ihr gewiss wieder an den Busen fassen und dann dreist behaupten, sie habe ihn in Versuchung geführt.
    Nein. Mark mochte vieles sein, was er lieber nicht gewesen wäre, aber er war kein Mann, der eine Frau in ihrer Not allein ließ. Schon gar nicht diese Frau. Diese verführerische, aufregende, ihn in den Wahnsinn treibende Frau.
    Er hatte ihr noch immer nichts erwidert, die Hände vor dem Bauch gefaltet stand sie da. „Wir können auch hier draußen reden, wenn es Ihnen lieber ist. Diesmal habe ich an Schirm und Umhang gedacht, wie Sie sehen. Aber ich möchte … nein, ich muss mit jemandem reden.“
    Und da

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