Geliebte Rebellin
dazu bei, ihn zu beschwichtigen. Statt dessen fühlte er sich gezwungen, seine eigene miserable Laune zu verteidigen. »Es ist ja schließlich nicht so, als hätte ich nicht ohnehin schon genug Anlass zur Sorge. Meine Tante beharrt auf Antworten, die ich ihr nicht geben kann. Maryann erwartet von mir, dass ich meinen elenden Halbbruder davor bewahre, sich in Schwierigkeiten zu bringen, und er seinerseits will meinen Worten keinerlei Beachtung schenken. Seit diese Geschichte begonnen hat, habe ich keine Zeit mehr für meine chemischen Experimente gefunden, und mir ist gerade die vierte Haushälterin in fünf Monaten davongelaufen.«
»Das kann ich alles gut verstehen, Baxter.« Charlotte lächelte ihn an. »Es tut mir leid, dass dein Leben in der letzten Zeit derart aus den Fugen geraten ist. Aber hab keine Angst, all das wird schon bald vorüber sein, und dann steht es dir frei, deinen gewohnten Alltagstrott wieder aufzunehmen. Überleg dir doch nur, dass du mich nie mehr zu sehen brauchst, wenn wir diese Geschichte erst einmal abgewickelt haben.«
Baxter sah unvermittelt vor sich, wie er in die wogende Brandung tief unter dem Fenster des Schlosses stürzte. Ein kaltes Feuer ließ die alten Narben brennen. Mit aller Logik und Vernunft, die ihm zur Verfügung standen, kämpfte er gegen die Panik an, die ihn unerklärlicherweise gepackt hatte.
»Ja, das ist mir durchaus klar« sagte er mit ruhiger Stimme.
Er wandte sich ab und ging ihr in die Bibliothek voraus. »Wenn du schon hier bist, dann kann ich dir auch gleich erzählen, dass wir meines Erachtens den Brennpunkt unserer Nachforschungen verlagern müssen. Ich glaube, wir sollten uns genauer mit den Mitgliedern von Hamiltons Club befassen, statt uns Drusilla Hesketts übrige Verehrer vorzunehmen.«
»Eine ausgezeichnete Idee. Ich bin vollkommen deiner Meinung.« Sie folgte ihm in seine Bibliothek.
»Wir dürfen die Tatsache nicht außer acht lassen, dass ein Zusammenhang mit dem jungen Norris besteht, dem Erben von Lennox.«
»Genau. Mrs. Heskett hat eine Affäre mit seinem Vater gehabt. Aber ich kann mir Norris nicht als Mörder vorstellen.«
»Ich mir auch nicht« gab Baxter zu. »Aber irgendwo müssen wir schließlich beginnen, und das ist zumindest ein Ansatzpunkt. Ich werde meine Tante um Beistand ersuchen. Wir brauchen so bald wie möglich eine Einladung, die uns in die Villa der Lennox führt.«
»Das sollte nicht allzu schwierig werden« sagte Charlotte. »Ariel hat mir erzählt, dass Norris' älteste Schwester in zwei Tagen im Hause ihres Vaters einen Maskenball veranstaltet.«
14
Charlotte beobachtete stolz, wie Ariel, die als Wassernymphe verkleidet war, von einem der unzähligen Partner, die bei ihr Schlange standen, auf die Tanzfläche geführt wurde.
»Ist sie nicht außergewöhnlich?« Charlotte lächelte liebevoll, während sie zusah, wie die Tänzer unter den schimmernden Lichtern der farbigen Lampions herumwirbelten, die für den heutigen Abend die Kronleuchter ersetzten. »Ich schwöre es dir, seit unserer Ankunft hat sie nicht einen einzigen Tanz ausgelassen.«
»Ich sehe sie nur verschwommen« erwiderte Baxter wütend. »Vor allem bei dieser schlechten Beleuchtung. Außerdem trage ich meine Brille nicht, falls du das vergessen haben solltest. Sie steckt in der Tasche dieses verdammten Dominoumhangs.«
»Ach, richtig, das hatte ich ganz vergessen. Aber du kannst sie wohl kaum gleichzeitig mit der Maske tragen, nicht wahr?« Sie warf ihm einen Blick zu und verspürte ein seltsames Grauen, das in keinem Zusammenhang mit ihren Plänen für den Abend stand.
Das lange schwarze Cape mit der Kapuze und die Halbmaske, die zu Baxters schmuckloser Dominoverkleidung gehörte, waren beim besten Willen nicht von etlichen anderen Kostümen in der Menge zu unterscheiden, die sehr ähnlich waren. Sie wusste, dass seine Wahl auf den schwarzen Domino gefallen war, weil er glaubte, auf die Art könnte er in dem dichten Gedränge des Ballsaals vollkommen anonym bleiben, und mit dieser Annahme hatte er recht gehabt.
Sie fürchtete jedoch, dass das Schwarz des fließenden Umhangs und der Maske Baxter enorm zusagte. Plötzlich konnte sie sich lebhaft vorstellen, Baxter würde für alle Zeiten mit seinem Alchemistenfeuer und einem Schmelztiegel in einer dunklen Höhle verschwinden.
Sie hatte spontan beschlossen, den Maskenball als Diana, Göttin der Jagd, zu besuchen. Wie sie Ariel bereits erklärt hatte, erschien ihr dieses Kostüm angemessen für
Weitere Kostenlose Bücher