Geliebte Rebellin
hielt sie ihr Taschentuch fest, und mit der anderen Hand umfasste sie einen von Julianas Knöcheln und begann, sie zur Tür zu ziehen. Zum Glück glitten Julianas Satingewänder mühelos über den Teppich.
Aber die Tür war weit entfernt. Charlotte wusste, dass sie es nicht schaffen würde, wenn sie nicht zwischendurch Luft holte. Sie atmete behutsam durch das Taschentuch ein.
Das Leinen verminderte die Intensität, konnte den Rauch jedoch nicht vollständig aus der Luft filtern. Im ersten Moment glaubte Charlotte, dass er frei von jeder Wirkung war, doch dann musste sie voller Entsetzen feststellen, dass die schwarze und blutrote Einrichtung des Raumes vor ihren Augen zu schmelzen und ihre Konturen zu verlieren begann.
Die Räucheressenzen, sagte sie sich. Nur ihnen war diese Wirkung zuzuschreiben. Sie musste so schnell wie möglich zur Tür gelangen.
Juliana wurde immer schwerer. Der Salon glich einem Meer aus Blut. Die Tür nahm die Form der Höllenpforte an. Auf der anderen Seite der Türschwelle erwartete sie ein Ungeheuer.
Das sind nur die Räucheressenzen. Die Räucheressenzen. Ich darf nicht stehenbleiben.
Nur noch ein Schritt. Ein einziger kleiner Schritt voran, gelobte sie sich, dann durfte sie Atem holen.
Sie zog Juliana durch die Tür, die zum Hades führte . . . . . . und fand sich mit ihr auf einem kalten Fliesenboden wieder.
Sie riss sich das Taschentuch vom Gesicht, sog die weniger giftige Luft des Korridors tief in ihre Lunge ein und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.
»Verdammt noch mal, Charlotte.«
»Baxter. Baxter, hier bin ich.«
Der Klang seiner Stimme wirkte belebender auf sie als jeder Stärkungstrunk. Sie schnappte noch einmal keuchend nach Luft und wischte sich die tränenden Augen. Dann blinzelte sie mehrfach und sah, wie Baxter durch den dünnen Nebelschleier hindurch mit großen Schritten auf sie zukam. Er war durch die Küche in das Haus gelangt, genau wie sie.
»Was ist hier passiert?« erkundigte er sich mit einer leisen Stimme, die furchteinflößend klang.
»Gott sei Dank, dass du gekommen bist. Ich bin ja so froh, dich zu sehen. Es ist wegen Juliana. Ich weiß nicht, ob sie noch am Leben ist.«
Sie konnte Baxter nicht deutlich sehen. Als er auf sie zukam, schien es ihr, als veränderte sich seine Gestalt ständig auf eine ganz subtile Art und Weise. Eine seiner Gestalten war menschlich, die andere . . . hatte etwas Bedrohliches. Seine Alchemistenaugen loderten sehr hell durch den Schleier der Räucheressenzen.
Baxter sah ihr forschend ins Gesicht. »Raus mit dir, und zwar schnell. Ich werde mich um Miss Post kümmern.«
»Diese seltsamen Dämpfe sind unglaublich stark.« Charlotte zog die Stirn in Falten. Mit der Eingangshalle stimmte etwas nicht. Die Treppe war mehrere Meter zur Seite gerutscht. »Ich fürchte, im Salon brennt es.«
»Das sehe ich mir genauer an, nachdem ich dich und Miss Post in die Kutsche gepackt habe. Komm mit, nein, nicht die Treppe zur Küche hinunter. Um Himmels willen, lauf zur Haustür hinaus. Sie ist näher.«
»Ja, sicher.« Sie konnte nicht klar denken. Alles wankte und verschwamm vor ihren Augen, wechselte ständig die Farbe und die Form. Sie fühlte sich, als sei sie in einem Traum gefangen, in einem Alptraum.
Sie stürzte sich auf den Türknauf, der im Nebel trieb. Es gelang ihr kaum, ihn zu packen, bevor er ihr entglitt. Sie kämpfte mit ihm.
»Mach die Tür auf«, befahl Baxter mit einer Stimme, die durch den blutroten Dunst schnitt.
Sie nahm alle ihre Willenskraft zusammen und riss an dem Türknauf. Zu ihrer unendlichen Erleichterung drehte er sich unter ihren Fingern, und die Tür ging auf.
Kühle, frische Luft strömte in die Eingangshalle, in der die Räucheressenzen inzwischen in dichten Schwaden hingen. Charlotte atmete tief ein, als sie die Stufen hinabwankte. Die Welt verschwamm nicht mehr so stark vor ihren Augen. Sie sah Baxters Kutsche auf der Straße vor dem Haus stehen.
Sie bemühte sich, auf die Tür der Kutsche zuzugehen, doch diese schien ihre Größe und ihren Standort immer dann zu verändern, wenn sie die Hand nach dem Türgriff ausstreckte.
»Na, so was, Miss Arkendale, warten Sie einen Moment. Ich mache das schon für Sie.« Der Kutscher sprang von seinem Kutschbock und riss ihr die Tür aus den unsicheren Fingern. »Sehen Sie, da haben wir es schon.«
Er stützte ihren Ellbogen mit fester Hand und schob sie in die Kutsche. Charlotte ließ sich auf den Sitz fallen, schaute zum Fenster hinaus
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