Geliebte Rebellin
schlichtweg davon ausgegangen, es verhielte sich nur deshalb so, weil Baxter viel von finanziellen Angelegenheiten verstand. »Soll das etwa heißen, der alte Earl hat sich tatsächlich in seinem letzten Willen ausbedungen, dass Mr. St. Ives das Vermögen zu verwalten hat?«
»Es ist kein großes Geheimnis, dass der alte Esherton Baxter zu seinem Nachlassverwalter gemacht hat, bis Hamilton fünfundzwanzig wird. Wenn Sie mich fragen, hat Esherton sich etwas dabei gedacht und ausgesprochen klug gehandelt. Es ist für jeden Beobachter deutlich zu erkennen, dass der junge Hamilton noch etwas Zeit braucht, um erwachsen zu werden. Er schlägt seinem Vater nach, soviel steht fest. Der alte Earl ist in seiner Jugend ein tollkühner Draufgänger gewesen.« Lennox unterbrach sich. »Wenn ich es mir recht überlege, hat er sich im Lauf der Jahre kaum geändert. Bis zum Tage seines Todes war er unbändig.«
»Ich verstehe.«
»Aber er hat keine Dummheiten begangen, was das Familienvermögen angeht«, fuhr Lennox fort. »Als er das Erbe angetreten hat, war er schon knapp dreißig, und er hat die Ländereien wirklich gut verwaltet. Baxter hat den Geschäftssinn seines Vaters geerbt, und das hat der Alte ganz genau gewusst. Trotzdem hat er St. Ives damit in eine unangenehme Lage gebracht. In einer derartigen Situation muss es zwangsläufig zu zahlreichen Reibereien und zu unberechtigten Vorwürfen kommen.«
»Ja, gewiss«
Auf Lennox' Zügen spiegelte sich ganz unerwartet Sorge wieder. »Hamilton ist bei weitem nicht der einzige junge Mann, der heutzutage zu sehr über die Stränge schlägt. Es sieht mir ganz danach aus, als müsste sich die Jugend heute erst mal die Hörner abstoßen. Wenn Sie es genau wissen wollen, Norris, mein eigener Sohn, hat mich in der letzten Zeit mehrfach in helle Aufregung versetzt. Er ist eng mit Hamilton befreundet, falls Sie das nicht wissen sollten.«
»Ich nehme an, sie lassen sich beide auf die üblichen unsinnigen Zeitvertreibe ein, mit denen junge Männer sich beweisen wollen«, sagte Charlotte behutsam. »Sie fahren zu schnell, sie trinken zuviel, und sie riskieren für Albernheiten ihren Hals ?«
»Ich wünschte, das wäre alles«, sagte Lennox. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin rundum dafür, dass ein junger Mann sich schon in frühen Jahren die Hörner abstößt. Als ich in diesem Alter war, habe ich mir, weiß Gott, mehr als genug Scherereien eingehandelt. Einmal hat mich ein Duell wegen einer kleinen Balletttänzerin, die ganz hoch hinaus wollte, fast das Leben gekostet. Ein paar Runden mit einem echten Berufsboxer namens Bull Keeley habe ich auch hingelegt. Und ab und zu habe ich auch mal französischen Cognac geschmuggelt. Solche Dinge eben.«
»Ich verstehe.«
»Aber das war nichts weiter als die üblichen altmodischen und unschuldigen Freuden der Jugend.« Lennox wirbelte wieder im weiten Bogen mit ihr herum. »Aber heutzutage scheint es eine riskantere Angelegenheit zu sein, zu einem jungen Mann heranzuwachsen. Es ist nicht mehr so wie früher, als ich noch jung war.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es fängt schon damit an, dass die Spielhöllen heute gefährlichere Orte sind als damals«, sagte Lennox in vollem Ernst. »Ein Freund von Norris hat gerade erst vor ein paar Tagen seine Ländereien in einem Lokal verloren, das sich Der Grüne Tisc h nennt. Der junge Crossmore ist nach Hause gegangen und hat sich dann eine Kugel in den Kopf gejagt.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Ich habe Norris gewarnt und ihm damit gedroht, wenn er sich nicht vorsieht, würde ich ihn zu einer ausgedehnten Reise auf den Kontinent schicken.«
»Hat Ihre Drohung den gewünschten Erfolg gehabt?«
»Norris weiß, dass ich keinen Blödsinn dulde. Es ist ein Pech für den jungen Hamilton, dass sein Vater nicht mehr da ist und die Zügel straff in der Hand hält. Diese Aufgabe hat er, zusätzlich zur Verwaltung des Vermögens, St. Ives überlassen.«
Die Musik endete mit einem letzten Tusch. Charlotte keuchte. Sie machte wieder einen Knicks vor Lennox und lächelte ihn strahlend an. »Ich danke Ihnen, Mylord. Ich konnte wirklich ein wenig Bewegung gebrauchen.«
»Das stärkt das Durchhaltevermögen«, versicherte er ihr, als er sie von der Tanzfläche führte. »Darf ich Ihnen ein Glas Limonade oder Champagner holen?«
»Nein, danke. Ich glaube, ich sollte mich jetzt besser auf die Suche nach Lady Trengloss machen.«
»Ach, ja, die reizende Rosalind. Eine bezaubernde Frau.« Lennox wirkte
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