Geliebte Schwindlerin
womöglich noch hübscher geworden.“
Dann wandte er sich Minella zu, die ihm von Connie vorgestellt wurde.
„Das ist Minella Moore. Sie war so lieb, in allerletzter Minute für Katy einzuspringen und ist entsprechend nervös. Also, ängstigen Sie sie nicht.“
Der Graf lachte. „Ich verspreche, nichts dergleichen zu tun.“
Er hielt ihr die Hand hin, und seine Finger umschlossen die ihren mit einem kraftvollen, festen Druck, den Minella bemerkenswert fand.
„Ich hoffe“, sagte sie, „es macht Ihnen nichts aus, daß ich uneingeladen mitkam.“
„Ich bin entzückt“, sagte der Graf, „und natürlich auch, wie Connie sehr richtig bemerkt hat, sehr dankbar dafür, daß Sie die Party gerettet haben.“
Sie wandten sich den anderen zu, die bereits Champagner tranken. Die munter durcheinander zwitschernden Mädchen muteten Minella wie farbenprächtige exotische Vögel an. Ihr silberhelles Lachen, die schimmernden Roben, die sie mit viel Anmut trugen, all das hätte ihrem Vater gut gefallen.
Kein Wunder, daß er solche Geselligkeiten der Stille des Herrenhauses nach dem Tod seiner Frau vorgezogen hatte.
Der Graf riß sie aus ihren Gedanken. „Sie sind auf einmal so ernst, Minella“, sagte er. „Das kann ich auf keinen Fall dulden.“
„Ich habe gerade Ihre stilvolle Einrichtung bewundert“, log sie. „Sie entspricht genau der Vorstellung, die ich mir von Ihrem Schloß gemacht habe.“
Er hob erstaunt die Brauen. „Tatsächlich?“
„Wie oft habe ich von diesen prächtigen Londoner Palästen und Schlössern gehört“, fuhr sie fort und überlegte sich jedes Wort sorgfältig, „und mir immer schon gewünscht, einmal einen dieser Prachtbauten besichtigen zu dürfen. Ganz sicher ist auch Ihre Gemäldesammlung einzigartig.“
„Interessieren Sie sich ernsthaft dafür?“ fragte der Graf ungläubig. „Oder hat Connie Ihnen geraten, auf diese Weise Konversation zu machen?“
Minella lachte verlegen. „Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber ich verstehe einiges von bildender Kunst. Noch nie habe ich eines der berühmten Gemälde im Original gesehen, aber ich habe eine Menge darüber gelesen.“
Sie erinnerte sich an die vielen Stunden, die sie mit ihrer Mutter über Bücher gebeugt verbracht hatte, die Abbildungen berühmter Gemälde und anderer Kunstwerke enthielten. Diese wertvollen Bände stammten aus der Bibliothek ihres Großvaters, der ein passionierter Sammler war.
Ihr Vater hatte das Ganze oft „alten Kram“ genannt, da einige der Bücher so uralt waren, daß man die Schrift kaum noch entziffern konnte.
Die Zeichnungen und Illustrationen und die Fotografien in den moderneren Büchern hatte Minella stets mit Begeisterung betrachtet.
„Ich werde Sie auf die Probe stellen“, ließ der Graf sich vernehmen, „und Ihnen morgen meine Gemäldegalerie zeigen.“
„Damit würden Sie mir eine große Freude machen!“ rief Minella lebhaft aus.
Wieder bemerkte sie bei ihm den spöttischen Augenausdruck, der verriet, daß er an der Ernsthaftigkeit ihrer Behauptung zweifelte.
Als sie sich schließlich zum Dinner in einen anderen Raum begaben, war Minella zu der festen Überzeugung gelangt, daß der Graf alles, was sie und die anderen Mädchen sagten und taten, für reines Theater hielt, das sie ihm zuliebe veranstalteten.
Das Speisezimmer war ebenso eindrucksvoll wie der französische Salon. Am Ende befand sich die Musikantenempore, und die Wände schmückten Gemälde der Ahnen des Schloßherrn.
Die Tafel war mit goldenen Kandelabern, Vasen, Bechern, ebenfalls aus Gold auf weißem Damasttuch gedeckt und mit Orchideen dekoriert.
Minella nahm zur Rechten des Grafen Platz, wo vermutlich Katy immer gesessen hatte.
„Wie ich sehe, schätzen Sie meine Orchideen“, sagte er, „und bringen ihre Schönheit auf besonders reizvolle Weise zur Geltung.“
Einen Augenblick lang begriff sie nicht, daß er ihr ein Kompliment gemacht hatte, dann bemerkte sie seinen Blick auf ihrem Dekolleté und erwiderte leicht errötend: „Sie sind wunderschön! Ich konnte nicht widerstehen, mich damit zu schmücken statt mit dem, was ich mitgebracht habe.“
„Und was ist das?“
„Reiherfedern“, erwiderte Minella, „die Connie für den passenden Kopfschmuck hielt.“
„Sie scheinen mir dafür zu jung zu sein.“
Minella mußte lachen, und er fragte, was sie daran so erheitere.
„Heute scheint es jeder, dem ich begegne, darauf abgesehen zu haben, mir meine Jugend vorzuhalten“, erwiderte sie,
Weitere Kostenlose Bücher