Geliebte Schwindlerin
sich bei dem einen um Sir Harold Parker, Gerties Begleiter, handelte, und bei dem anderen um Lord Skelton, Nellies Charlie.
Es klopfte, und ein Boy rief von draußen: „Noch fünf Minuten, meine Damen!“
„Wir müssen auf die Bühne“, sagte Connie. „Hör zu, Archie, nimm Minella doch mit in eure Loge. Sie hat noch nie eine Revue gesehen, und es wird höchste Zeit, daß sie das nachholt.“
„Ja, wird gemacht“, versprach Archie. „Wir kümmern uns um sie. Mach dir keine Sorgen, Connie.“
„Geht behutsam mit ihr um“, schärfte Connie ihm ein. „Sie ist das erste Mal in London und findet alles noch ziemlich verwirrend.“
„Ihr erster Besuch in London? Gütiger Himmel!“ rief Archie aus.
Mit raschelnden Röcken huschten die drei Mädchen aus der Garderobe. Der betäubende Parfümduft, den sie zurückließen, vermischte sich mit dem der Blumen.
„Wir sollten uns auch in die Loge begeben“, schlug Archie vor.
Harry und Charlie, die Minella abschätzend gemustert hatten, als gäbe sie ihnen Rätsel auf, waren einverstanden.
Von dem Augenblick an, als Minella in der Loge Platz genommen hatte, empfand sie alles wie einen Traum.
Das Theater war viel eindrucksvoller, prächtiger und hübscher, als sie es sich vorgestellt hatte, und als der Vorhang hochging, fühlte sie sich in eine märchenhafte Welt versetzt.
Sie lernte eine Einrichtung kennen, die zu Recht in der ganzen zivilisierten Welt berühmt war. Revuetheater, so hatte sie einmal in einer Zeitung gelesen oder von ihrem Vater gehört, war gleichbedeutend mit Erfolg und schenkte London musikalische Leckerbissen und den Anblick bildschöner Mädchen.
So empfand sie es auch, als sie entzückt die Vorstellung verfolgte und das Gefühl hatte, in all die Herrlichkeit, die von der Bühne ausging, einbezogen zu werden.
Es handelte sich um das Stück „Die Ausreißerin“, das vor vier Wochen uraufgeführt worden war und als einer der größten Erfolge galt, den das Revuetheater jemals gehabt hatte. Minella begeisterte sich für die herrlichen Szenen auf der Bühne, die Kulissen und die Aufmachung, die den Zuschauer nach Korsika oder Venedig versetzen sollten.
Die Musik ging ihr ins Blut, ebenso die Darbietung des Tanzpaares, die, wie Archie ihr erklärte, das Glanzstück der Show war.
Sie lauschte hingerissen dem Gesang und ging völlig in der gespielten Handlung auf. Erst als sich alle erhoben und die Nationalhymne sangen, nachdem zehn Minuten lang Beifall geklatscht worden war, kehrte sie wie von einem fremden Planeten auf die Erde zurück.
Jetzt verstehe ich, weshalb Papa die Revue so liebte, dachte sie, aber man ließ ihr keine Zeit zu weiteren Betrachtungen, sondern führte sie zum Bühneneingang zurück. In der Garderobe wartete Natty bereits mit dem versprochenen Samtmantel auf sie.
Er vermittelte ihr ein Gefühl von Luxus und Schönheit, so daß sie sich selbst wie auf einer Bühne stehend vorkam.
Während sich die anderen Mädchen ebenfalls in Mäntel hüllten und Chiffontücher über die Frisur banden, sagte Natty leise zu ihr: „Amüsier dich gut, und laß dich zu keiner Torheit hinreißen.“ Sie bemerkte Minellas verständnislosen Blick und fügte hinzu: „Nichts, was deinem Vater und deiner Mutter mißfallen könnte.“
„Sie sind beide … tot“, sagte Minella mit dünner Stimme.
„Dann schauen sie dir bestimmt von oben zu“, erwiderte Natty, „und möchten, daß du ein braves Mädchen bleibst.“
Minella sah sie erstaunt an, doch bevor sie Fragen stellen konnte, hatte Natty bereits den Raum verlassen, und sie hörte Connie drängen: „Nun komm schon! Du bist vielleicht nicht hungrig, aber ich freue mich schon auf das Festessen.“
„Darauf wirst du eine Weile warten müssen“, sagte Gertie. „Aber wenn es soweit ist, wird es bestimmt erstklassig sein.“
„Hast du jemals erlebt, daß beim Grafen nicht alles vom Feinsten war?“ fragte Nellie.
„Richtig“, bekräftigte Connie. „Ob nun mit Katy oder ohne sie, wir bieten ihm auch eine Delikatesse an, für die er uns dankbar sein sollte.“
Ohne weitere Verzögerung strebten sie der Eisenstiege zu und begaben sich nach unten, wo die drei Herren auf sie warteten.
Zwei Broughams, von Vollblütern gezogen und offensichtlich Privateigentum, nahmen sie auf und brachten sie zum Bahnhof.
Minella fand auf dem Rücksitz der einen Kutsche neben Archie und Connie Platz. Nellie und Lord Skelton saßen ihnen gegenüber.
Gertie, Harry und Beryl, die sie bisher nur
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