Geliebte Schwindlerin
gefunden zu haben.
„Klingt ein bißchen fad, muß ich zugeben“, meinte Connie, „aber es kommt auf einen Versuch an. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du dir immer noch etwas anderes suchen. Ich sagte dir ja schon, daß dir unser Gastgeber besser weiterhelfen kann als sonst jemand.“
„Mir ist klar, daß ich Glück hatte“, sagte Minella leise, „und ich möchte dir für deine Freundlichkeit danken, Connie, mich hierher mitgenommen zu haben. Es waren die aufregendsten Stunden, die ich je erlebt habe.“
Einen Augenblick trat Stille ein, dann sagte Connie: „Ich bin froh, daß es dir gefallen hat und dich offensichtlich nichts verstimmt hat.“ Dabei sah sie Minella forschend an, als hege sie den Verdacht, sie verberge etwas.
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Minella. „Was hätte mich denn verstimmen sollen?“
„Du bist gestern abend sehr früh ins Bett gegangen“, sagte Connie, „und der Graf ist auch nicht viel länger aufgeblieben.“ Das klang ein wenig unbeholfen, aber ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton, den Minella nicht zu deuten wußte.
„Ich war müde“, erklärte sie wahrheitsgemäß, „und er sicher auch. Wir sind den ganzen Morgen durch die Gegend geritten, und ich war seit acht Uhr auf den Beinen.“
Connie sah sich in dem stilvoll möblierten Gästezimmer um und fragte dann: „Und du wurdest in der Nacht durch nichts gestört?“
„Kein bißchen“, erwiderte Minella, „obwohl Roses kleine Tochter bei mir geschlafen hat.“
Connie starrte sie fassungslos an.
„Was hast du da gesagt?“
„Rose, die Kammerzofe, die sich um mich kümmert, konnte keine Nacht richtig schlafen, weil ihr Baby zahnt. Deshalb habe ich ihre kleine dreijährige Tochter zu mir genommen, damit sie ihre Mutter nicht zu früh weckte. Sie war sehr lieb, und wir haben bis sieben Uhr morgens durchgeschlafen.“
Connie sah sie noch immer entgeistert an, als glaube sie, sich verhört zu haben. Dann trat sie ans Fenster und blickte nach draußen.
„Ich glaube, den Reinen ist alles rein! Papa ließ es uns mal ins Lateinische übersetzen, und ich hatte Schwierigkeiten damit.“
Minella verstand den Sinn ihrer Worte nicht.
„Was willst du tun, Connie, wenn deine Eltern erfahren, daß du zur Bühne gegangen bist?“ fragte sie die Freundin.
„Was sollten sie dagegen unternehmen?“ fragte Connie gereizt zurück. „Es würde Ihnen natürlich nicht passen, aber bei Papas kärglicher Pension könnten sie mich ja nicht einmal enterben!“
„Sicher nicht, aber …“
„Kein Aber“, unterbrach sie Connie. „Ich genieße jeden Augenblick des Lebens, das ich führe. Ich kann tun und lassen, was ich will und werde deinem Vater ewig dankbar sein, daß er mich mit George Edwards bekannt gemacht hat.“
„Und jetzt hast du deine Dankbarkeit an mir abgegolten“, sagte Minella leise.
„Ich hoffe von Herzen, daß es mir gelungen ist“, sagte Connie, „und daß er, wo immer er jetzt sein mag, meine Handlungsweise billigt.“ Unterdrücktes Schluchzen verzerrte ihre Stimme.
„Ganz sicher tut er das, Connie“, erwiderte Minella. „Mach dir um mich keine Sorgen. Ich kann ganz gut auf mich aufpassen.“
Connie schwankte zwischen Lachen und Weinen. „Den Teufel kannst du!“ sagte sie. „Aber vielleicht gehst du trotzdem deinen Weg, weil dein Vater als Schutzengel immer bei dir ist.“
6
Im Zug, der sie nach Southampton bringen sollte, rief Minella sich erneut ins Bewußtsein zurück, daß vor ihr das aufregendste Abenteuer ihres Lebens lag.
Seit der Graf ihr das Angebot gemacht hatte, ihn nach Kairo zu begleiten, hatte sie wie in einem Traum gelebt, und alles, was um sie herum geschah, war ihr unwirklich vorgekommen.
Mrs. Harlow war völlig verändert gewesen, liebenswürdig und hilfsbereit. Dabei hatte sie Minella und die anderen Mädchen seit ihrer Ankunft nichts als Verachtung spüren lassen.
Als sie mit der Kleidung in Minellas Zimmer erschien, war sie die Freundlichkeit in Person gewesen.
„Seine Lordschaft teilte mir mit, daß er Sie zu seiner Mutter mitnehmen will, Miß“, sagte sie. „Es wird Ihnen bei Mylady ganz sicher gefallen. Wir haben sie alle geliebt, als sie noch hier war.“
„Sie vermissen sie sicher sehr, seit sie in Südfrankreich lebt“, sagte Minella.
„Ungemein“, erwiderte Mrs. Harlow. „Sie sollen nun Lady Sybils Garderobe übernehmen. Rose und die anderen Mädchen werden sie gleich bringen.“
„Hoffentlich hat sie nichts dagegen,
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