Geliebte Schwindlerin
Wynterborne ganz sicher nicht bestehen.“
Minella erhob sich und trat ans Fenster. Sie blickte in den Park hinaus. Die Blätter an den Bäumen verfärbten sich bereits. Schon heute morgen war ihr aufgefallen, daß die Luft kühler geworden, daß der Herbst im Anzug war.
Sie überlegte, ob sie das Angebot des Grafen annehmen sollte, oder ob ihre Mutter von ihr erwartet hätte, der Versuchung zu widerstehen.
500 Pfund! Damit konnte sie lange auskommen.
Und dann eine Schiffsreise nach Ägypten! Wie hätte sie einem so aufregenden Abenteuer widerstehen können!
Und dann war ihr, als stünde ihr Vater neben ihr und zwinkere ihr aufmunternd zu. „Wer wagt, gewinnt“, pflegte er zu sagen, als er ihr das Reiten beigebracht hatte.
Sie drehte sich um. „Ich tu’s“, sagte sie, „aber Sie müssen mir versprechen, falls ich einen faux pas begehe oder irgend etwas tue, dessen Sie sich schämen müssen, nicht allzu hart mit mir ins Gericht zu gehen.“
„Das Versprechen haben Sie bereits“, erwiderte der Graf, „denn ich werde Ihnen ewig dankbar sein.“
Ihre Blicke trafen sich, und Minella spürte, wie ihr Herz unruhig zu klopfen begann, was sie jedoch auf die soeben getroffene Entscheidung zurückführte.
„Was soll ich Connie sagen?“ fragte sie dann.
„Daran habe ich auch schon gedacht“, erwiderte der Graf. „Ich werde ihr mitteilen, daß Sie nicht mit ihr nach London zurückkehren, sondern mich nach Südfrankreich zu meiner Mutter begleiten werden, die dringend eine junge Gesellschafterin benötigt.“
„Das klingt sehr einleuchtend!“ rief Minella bewundernd aus. „Wird Connie uns glauben?“
„Ganz sicher“, sagte der Graf überzeugt. „Und jetzt sollten Sie sich keine Gedanken mehr machen, sondern die Zeit bis zur Abreise genießen.“ Als ahnte er, was ihr noch auf der Seele brannte, fügte er hinzu: „Ich werde Mrs. Harlow beauftragen, alles einzupacken, was Sie auf der Reise gebrauchen können. Sobald die anderen weg sind, können Sie sich dann Ihres sehr modischen, aber ein wenig zu auffälligen Kleides entledigen und etwas Passenderes, Damenhafteres anziehen.“
„Ich fürchte, Connie wird mir die ganze Pracht wegnehmen. Es gehört nämlich alles dem Revuetheater.“
„Daher stammt die Pracht also“, sagte der Graf lachend.
„So ist es.“
„Eigentlich hätte ich das selbst erkennen müssen, aber die Sachen standen Ihnen so ausgezeichnet, daß ich sie für Ihr Eigentum halten mußte.“
„So etwas Prächtiges könnte ich mir nicht leisten.“
„, Auffällig' trifft es besser“, erwiderte der Graf. „Für Revuetänzerinnen passend, nicht aber für meine künftige Gemahlin. Das wäre, um Ihre Worte zu benutzen, ein faux pas.“
„Ich kam mir darin wie eine Märchenprinzessin vor“, gestand Minella lachend, „aber es wird Zeit, daß ich zu meiner Alltagserscheinung zurückfinde.“ Sie hatte es kaum ausgesprochen, als ihr bewußt wurde, daß dies für eine unbekannte kleine Provinzschauspielerin eine höchst unpassende Bemerkung war.
Um diesen Eindruck zu verwischen, lenkte sie hastig ab: „Es ist bald Zeit zum Lunch, und wir sollten zu den anderen gehen, sonst will Connie noch von mir wissen, was wir so lange zu besprechen hatten.“
„Einverstanden“, sagte er. „Mrs. Harlow bekommt von mir den Auftrag, Ihnen nach dem Mittagessen passende Kleidung von meiner Schwester zu bringen, damit Connie Ihre Leihgarderobe einpacken kann.“
Er dachte einfach an alles, und deshalb fühlte Minella sich auch weniger unsicher und ängstlich, als es normalerweise in einer so ungewohnten Situation der Fall gewesen wäre.
Nach dem Lunch allerdings, bei dem es sehr lustig und laut zugegangen war, als sie oben in ihrem Zimmer war, hatte sie ein Kribbeln in der Magengrube, als hätten sich tausend Ameisen da eingenistet. Wie leicht konnte das gewagte Abenteuer, in das sie sich eingelassen hatte, in einer Katastrophe enden.
Wenig später kam Connie ins Zimmer gestürmt. „Der Graf hat mir gerade mitgeteilt, daß er vielleicht eine Stelle für dich hat“, sagte sie ein wenig atemlos vom raschen Laufen. „Es klingt sehr seriös und könnte genau das sein, was du dir vorgestellt hast.“
„Vielleicht mag seine Mutter mich gar nicht“, wandte Minella ein und überlegte dabei, daß sie nach der Ägyptenreise zu Connie nach London zurückkehren und sie erneut um Hilfe bitten mußte. Deshalb hielt sie es für besser, sich nicht allzu zuversichtlich zu geben, eine Dauerstellung
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