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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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uns immer gewünscht haben.« Er stand auf und ging in dem kleinen Zimmer hin und her. »Wenn ich daran denke, was ich dir alles schenken wollte, was ich auf Heidfeld versteckt habe, um dich Weihnachten damit zu überraschen … es ist alles lächerlich vor dem, was ich dir nun wirklich geben kann: endlich die Befreiung vor einer Angst, die nie nötig war.«
    »Du weißt nicht, wie mich das alles bedrückte, Micha.«
    »Du hättest es gleich sagen sollen, damals auf Capri: Hör mal, ich habe ein Kind, und dieses Kind ist …« Er schwieg abrupt, weil er kein Wort fand, das nicht weh tun würde durch die Deutlichkeit des Ausdrucks.
    »Damals hatte ich Angst, dich zu verlieren.«
    »Und du wolltest mir Theodora immer verschweigen?«
    »Nein. Ich wollte auf einen Tag warten, an dem ich es gestehen konnte. Mein Gott, war es furchtbar.« Sie schlug die Hände vors Gesicht und wandte sich ab. »Ich liebte dich so, und ich mußte die Tür abschließen, weil immer die Angst da war … Wenn ich ein Kind bekomme, wird es wieder so sein wie Tutti.«
    »Wir werden ein gesundes Kind haben!« Michael Pohland drückte Gerda an sich und streichelte ihren bebenden Kopf. Man muß mit Dr. Wehrmann sprechen, dachte er dabei. Und mit einigen bekannten Gynäkologen, mit Experten, die ihr bestätigen werden, daß sich diese Tragödie nicht wiederholen wird. Auch Dr. Dornburg wird es ihr sagen können. Wer weiß, welche Faktoren schuld daran waren, daß Theodora so geboren wurde. Äußere Ereignisse, Krankheiten während der Schwangerschaft, Infektionen, ein unbeachteter Unfall in dieser Zeit … es kann so viele Gründe haben, oftmals Nichtigkeiten, deren Auswirkungen schrecklich sind.
    »Du darfst nie, nie mehr Angst haben«, sagte er zärtlich. »Versprich mir das.«
    »Ja, Micha.« Sie sah zu ihm auf. In ihren Augen las er ihre Bereitschaft. Nur was sie dabei dachte, konnte er nicht erkennen. Zwanzig Pillen im Monat, dachte sie. Jeden Tag eine am Abend. Beginnend mit dem 5. Tag der Blutung bis zum 24. Tag vor dem Einsetzen des neuen Zyklus. Dann Ruhe über acht Tage. Und wieder am 5. Tag die nächste Pille. Jeden Abend vor dem Schlafengehen. Ein Dragee, ein Schluck Wasser hinterher, eine Schluckbewegung … und so schluckt man die Angst hinunter, immer und immer wieder, jeden Monat zwanzig Tage lang. Und wenn man es vergißt, einmal oder zweimal …
    Sie senkte den Kopf wieder und sah in die flackernden Kerzen.
    »Es ist mein schönstes Weihnachten, Micha«, sagte sie leise. »Diesen Tag kann uns keiner nehmen. Er ist ein Geschenk für unser ganzes Leben.«
    Am 1. Weihnachtstag gab es in der ›Sonne‹ ein Gänseessen. Bis zum Speicher zog der Duft der gebratenen Gänse und legte sich lockend auf die Schleimhäute. Dazu mischte sich der herb-säuerliche Geruch von dampfendem, fettigem Rotkohl und gekochten Äpfeln. Michael Pohland stand im Pelzmantel an der Theke und ließ sich vom Wirt erklären, daß es völlig sinnlos sei, zu Fuß zum Sanatorium zu pilgern. Ein Schlitten käme überhaupt nicht durch, weil die Pferde bis zur Brust einsinken würden.
    »Do hat's aanen halben Meter Schnee«, sagte der Wirt. »Und auf deren Talstraße, jo mei, da kommt's nicht mal aanen Panzer durch. Vasucht haben's schon, die blöden Lackl … An jungen Leutnant, der wollt's wissen und hat's geschrien: Wir schaffen es! Dös Rindvieh! Wir schaffen es! So kann nur a Preiß schrei'n! Jo, und g'schafft habens: Steckenblieben sind's, bis zum Panzerturm drin im Schnee, und deren Leutnant hat's geflucht und an kalten Oarsch gekriegt! Noi, noi, da ist's nix mit, Herr Pohland. Deren Weg schaufeln wir erst frei nach Neujahr. Z'fressen haben's jo im Heim …«
    Trotzdem machten sich Gerda und Michael Pohland auf, um Tutti zu besuchen. Sie liehen sich Skier und rutschten über den Pulverschnee mühsam den Hang hinauf. Die gewundene Straße lag fast unsichtbar unter dem Schnee, nur die Telegrafenmasten zeigten den Verlauf der Straße an. Sie hielten sich immer an die Masten und sahen nach drei Stunden das Haus. Sie waren erschöpft und schwitzten, und wo sie vergaßen, den Schweiß abzuwischen, gefror er zu kleinen, weißen Kristallen. Wie Perlen hingen sie an Gerdas blonden Haaren, an den Augenbrauen, an den Wimpern.
    Dr. Dornburg war baß erstaunt, als sie wie die Eismänner in sein Zimmer kamen. Auch in seinem Zimmer roch es nach Gänsebraten; der Duft kam aus dem kleinen Speiseraum, der weihnachtlich geschmückt war. Die erwachsenen Patienten saßen schon an

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